Schlanker Klang, erfrischender Esprit: Reise durch die Epochen
Andris Nelsons: Bei den Salzburger Festspielen dirigierte er die Wiener Philharmoniker.
An den beiden Abenden, an denen das Gewandhausorchester Leipzig im Wiener Musikverein gastierte, wurde klar, warum dieser Traditionsklangkörper den Vertrag mit seinem Chefdirigenten Andris Nelsons bis 2032 verlängert hat. Dieser Dirigent weiß, wie man die Stärken eines Orchesters präsentiert.
Davon gibt es viele.
Eine ist die Flexibilität, die Wandelbarkeit des Klangs. Das demonstrierte der 46-jährige Lette beim Auftakt mit Joseph Haydns Symphonie Es-Dur, Hob. I:22, mit dem Beinamen „Der Philosoph“.
Orientiert an historischer Aufführungspraxis setzte er auf einen schlanken Klang und erfrischenden Esprit. Den übernahm er bei Felix Mendelssohns erstem Klavierkonzert in g-Moll mit Seong-Jin Cho als Solisten.
Seit seinem Sieg beim Chopin-Wettbewerb in Warschau rückte der 31-jährige Koreaner in den Fokus des internationalen Konzertbetriebs. Der beeindruckte das Publikum vor allem durch die Rasanz, mit der er lospreschte. Das klang wie ein „Es ist mir egal wohin, Hauptsache ich bin schneller dort“. In manchen Stellen nahm er sich so zurück, dass sein Spiel ganz im Orchester aufging, in anderen trumpfte er mit seiner Virtuosität auf.
Bei der dritten Symphonie von Brahms setzte Nelsons auf präzise Analyse. Die Bläserakkorde zu Beginn klangen in wohldosiertem Forte. Konsequent baute er Spannung auf und formulierte die Motive mit Bedacht.
Gewisser Schmelz
Bei Brahms’ Violinkonzert in D-Dur mit Augustin Hadelich setzte Nelsons auf ein hohes Maß an Sinnlichkeit. Das kam seinem Solisten zugute. Der agierte in Harmonie mit dem Orchester, das mit ihm mit einem gewissen Schmelz ein prächtiges Umfeld bereitete. Sinnlich integrierte er seine Kadenz und wurde nach einer Zugabe bejubelt.
Zum Finale löste Nelsons ein, was bereits 1918 in Wien hätte stattfinden sollen. Die gesamte Aufführung der Symphonie in fis-Moll von Dora Pejačević (1885 –1923). Denn bei der Uraufführung wurden nur Teile davon gespielt. Die in Budapest geborene Tochter einer adeligen kroatischen Familie hatte dieses Werk ihrer Mutter gewidmet. Nelsons nutzte es, die Qualitäten seines Orchesters in einem prächtigen Klangrausch auszuspielen.
Das Werk lässt verschiedene Stile aufeinanderprallen. Das musikalische Geschehen wogt zwischen einer Art Retro-Romantik und expressionistischen Passagen, durchwirkt von impressionistischen Einsprengseln.
Viele Bravos.
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