KURIER: Frau Scharang, von Doris Knechts Roman „Wald“ ist in Ihrer Verfilmung nicht viel übrig geblieben. Wie hat die Autorin reagiert, als sie das Drehbuch gelesen hat?
Elisabeth Scharang: Sie hat es nie gelesen.
Nie?
Nein, nie. Ich habe Doris Knecht sehr früh getroffen und ihr gesagt: ,Vermutlich wird sich der Film von deinem Buch entfernen. Ich weiß noch nicht, wie weit, aber vielleicht sehr weit.’ Und sie meinte: ,Das wichtigste für mich ist, wer den Stoff in die Hand bekommt. Wenn das passt, kannst du damit machen, was du willst.’ Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass sie erst den fertigen Film sieht. Und ich glaube, sie ist sehr happy damit. Mich selbst hat an dem Buch weniger der Plot als ein Zustand interessiert. Ich habe das Gefühl, die Seele des Buches ist total da; der Plot ist halt ein anderer.
Was hast Sie besonders an dem Stoff gereizt?
Die Situation, dass man als freiberufliche Person plötzlich vor der Tür sitzt , obwohl man sich den Arsch abgearbeitet hat ... das hat mich schon ein bisserl angesprochen (lacht). Ich kenne das. Obwohl alle immer glauben, dass man so viel arbeitet, weiß man nicht, wie es weitergeht. Ich habe das in den letzten sieben Jahren nicht und davor ganz extrem erlebt. Ich habe keine Kinder und das ändert die Situation. Für Frauen mit Kindern – und ich sage ganz bewusst: Frauen mit Kindern – ist das ein Wahnsinn. Und diese unfreiwillige Flucht aus der Stadt – das war für mich der Ansatz.
Sie haben als Anlassfall die Finanzkrise durch den Terroranschlag in Wien ersetzt?
Ja, das Attentat habe ich sehr nahe miterlebt. In meinem familiären Kreis konnte ich darüber sprechen, aber sobald ich mit jemandem anderen geredet habe, begann ich unkontrolliert zu weinen. Da war mir klar: Es ist mir etwas passiert, und ich muss das irgendwie integrieren. Danach haben sich die beiden Geschichten – die aus dem Roman und die aus meinem Alltag – miteinander verwoben.
Im Roman führt Marian eine Beziehung mit einem Gutsherren. Sie verschieben Ihren Fokus auf eine Frauenfreundschaft. Warum?
Die MeToo-Debatte hat mir einen Schub in diese Richtung gegeben. Ich wollte in einer Geschichte, wo eine Frau ihre Lebensentscheidungen trifft und sich immer wieder auf die Füße stellt, keinen Mann in den Mittelpunkt stellen. Ich wollte nicht, dass sie gerettet wird. Und ich habe eine Figur gefunden, die es im Buch nicht gibt – und das ist Gerti. Mich haben diese zwei Frauen sehr interessiert. Zudem ging es mir um die Freundschaft zwischen erwachsenen Menschen, in der nicht Kinder und Familie, sondern die Betroffenen im Mittelpunkt stehen.
Im Roman studiert Marian ihre Falten und denkt über das Älterwerden nach, im Film ist sie eine passionierte Läuferin. Wie kam es dazu?
Brigitte Hobmeier hat ein dreiviertel Jahr mit Lauftrainer trainiert. Mir war die Körperlichkeit wichtig. Das hat nicht nur mit Sport zu tun, sondern auch damit, dass man in der Berufswelt immer etwas darstellen muss. Ich glaube, Bodyshaming von mehrgewichtigen Menschen ist eine der am tiefsten sitzenden Diskriminierungsform, die es gibt. Wenn es also jemand so konsequent laufen geht, erzählt das sehr viel.
Sie haben sich selbst in der MeToo-Debatte sehr engagiert . Gibt es Fortschritte?
Produktionsfirmen haben eine Fürsorgepflicht für die Menschen, die auf ihrem Filmset arbeiten. Wenn also etwas passiert, ist das nicht mehr „Shit Happens“, sondern es bedeutet: Ich als Produzent oder Produzentin bin dafür verantwortlich. Ich glaube, das ist angekommen. Auch haben sich in den letzten fünf Jahren bei Vorfällen, die nicht in Ordnung waren, aber toleriert wurden, die Grenzen verschoben. Das ist gut so.
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