Schubert in der Stein-Zeit

Im vergangenen Jahr stand an dieser Stelle: "Verdi in der Stein-Zeit". Damals hatte Regisseur Peter Stein "Don Carlo" angestaubt.
Nun geht die Zeitreise konsequent weiter. Auf dem Programm: " Schubert in der Stein-Zeit". Wobei der Opern-Paläontologe Stein bei "Fierrabras" streng genommen noch weiter zurückgeht und im musiktheatralischen Altertum landet, irgendwo zwischen Perm und Karbon.
Stein ließ sich vom Bühnenbildner und Mit-Archäologen Ferdinand Wögerbauer Papp-Kulissen bauen, die dementsprechend wackeln, die man nur noch aus Museen kennt und die offenbar an die Entstehungszeit des Werkes (1823) erinnern sollen. Wenn man sich Karl Friedrich Schinkels "Zauberflöten"-Bühnenbilder von 1816 ansieht, sind diese jedoch heute noch revolutionär gegen den Plunder im Salzburger Haus für Mozart.
Szenenfotos aus " Fierrabras"
In diesem Ambiente, das einmal den Hof von König Karl, dann einen maurischen Kerker darstellen soll, sieht man würdevolles Schreit-, langweiliges Steh- und lächerliches Säbel-Theater in Ritterkostümen und mit spinnenden Burgfräulein. Man wünscht sich die Monty-Python-Truppe, die das wegfegt und Tempo sowie Witz reinbringt. Steins Ritter haben leider keine Kokosnüsse, sie sind wandelnde Sedativa.
Er verweigert sich auch der inhaltlichen Brisanz der Geschichte. Christentum und Islam prallen aufeinander; Liebe zwischen den Religionen wird von Altvorderen verhindert; gut ist nur, wer zum Katholizismus überläuft – all das spürt man bei dieser Inszenierung nicht.
Verweigerung
Dabei gäbe es leider so viele Anlässe, das schreckliche Libretto von Joseph Kupelwieser aktuell zu hinterfragen. Aber politische Deutungen interessieren Stein merkbar nicht. Alles, was zeitgemäß wäre, verweigert er konsequent. Mit dieser Haltung, Neudeutern den Hintern zu zeigen, kreiert er aber noch radikaleres Regietheater als die größten Revolutionäre. Das völlige Negieren heutiger Mittel führt zu einem selbstverliebten Bühnen-Universum, das man nicht mehr für möglich hielt, in dem inhaltliche Auseinandersetzungen gar nicht gefragt sind.

Ingo Metzmacher am Pult der präzise und farbenprächtig spielenden Wiener Philharmoniker bemüht sich hörbar um dramaturgische Gestaltung. Es gibt wunderschöne Momente, aber keinen großen, plausibel musikalischen Bogen. Um einen solchen zu schaffen bzw. die Brüche evident zu machen, hätte es wohl eines Meisters wie Nikolaus Harnoncourt bedurft, der das Dirigat jedoch absagte. So ist man zu sehr dem Schönklang, der Oberfläche verpflichtet.
Schubert, der "Fierrabras" nie auf der Bühne erlebte (die für 1824 geplante Premiere wurde nach dem Misserfolg von Webers "Euryanthe" abgesagt) wird so jedenfalls nicht stärker als Opernkomponist etabliert.
Sehr gut singt der Staatsopernchor (das A-cappella-Stück "O teures Vaterland" ist der Höhepunkt). Unter den Solisten sind Benjamin Bernheim als Eginhard mit kraftvollem Tenor und schönem Timbre sowie Dorothea Röschmann als Florinda mit großer Ausstrahlung und dramatischer Stimme die besten. Michael Schade müht sich nicht durchwegs erfolgreich durch die Partie des Fierrabras. Georg Zeppenfeld ist als König Karl sonor und markant, Julia Kleiter eine höhensichere Emma und Markus Werba ein nicht allzu präsenter Roland.
Gibt es vielleicht noch eine "Flintstones"-Oper, die Stein inszenieren könnte? Yabbadabbadoo.
Das Werk Franz Schuberts "Fierrabras" wurde für eine Aufführung 1824 in Wien komponiert, die Premiere aber abgesagt. Zur Uraufführung kam es erst 1897 in Karlsruhe. Das Libretto stammt von Joseph Kupelwieser und verbindet das Heldenepos "Fierabras" und die Sage "Eginhard und Emma".
Die Produktion Zutiefst altmodisch.

KURIER-Wertung:(Wenn man nur zuhört).
Wenn man die Augen öffnet:
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