Sagmeister: "Das Plattencover ist tot"

Beim Festival "Vienna – City of Dreams" kommt es am Dienstag zum ersten Höhepunkt: Die Wiener Philharmoniker spielen unter der Leitung von Franz Welser-Möst in der Carnegie Hall Schönbergs "Friede auf Erden" und Beethovens Neunte. Ein Beitrag zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.
Wenn einer mit der nötigen Distanz, aber dennoch aus erster Hand beurteilen kann, wie die große Kulturoffensive der Stadt Wien in New York ankommt, dann ist es der Grafiker und Designer Stefan Sagmeister, 1962 in Vorarlberg geboren. Der zweifache Grammy-Preisträger, der mit Plattencover für die Rolling Stones, die Talking Heads oder Lou Reed für weltweites Aufsehen gesorgt hatte, lebt seit 22 Jahren in Manhattan.
KURIER: Nimmt man diese Wiener Charmeoffensive in
New York wahr?
Stefan Sagmeister: Auf alle Fälle. Das ist eine wunderbare Initiative, die sehr wichtig ist.
Wie würden Sie das Bild, das
Österreich in den
USA vermittelt, beschreiben?
Im Moment ist das Bild, das die New Yorker von Österreich und
Wien haben, sehr gut. Das war zu Zeiten von Kurt Waldheim und Jörg Haider ganz anders. Da wurde unser Land in erster Linie mit diesen beiden in Verbindung gebracht. Heute gilt Wien als eine Art spezielles Paris – mit einer großen kulturellen Vergangenheit, aber durchaus innovativ.
Registriert man Themen wie den Hypo-Alpe-Adria-Skandal in
New York?
Überhaupt nicht. Eine interne Bankenangelegenheit kümmert die Amerikaner nicht. Aber wenn eine Rechts-außen-Partei bei
Wahlen zwischen 25 und 30 Prozent der Stimmen bekommt, ist das ein Riesenthema. Zuletzt, bei den
Olympischen Spielen, war Österreich hier für die Medien auch wichtig, weil es viele Duelle mit amerikanischen Sportlern gab.
Welche Rolle spielt
Wien im Bereich der bildenden Kunst und beim Design in
New York?
Man kennt in der Szene selbstverständlich das MAK. Das gilt neben dem Designmuseum in London als ganz zentraler Ort.
Trotz der Skandals rund um Ex-Direktor
Peter Noever?
Ich kann den Fall Noever nur von außen betrachten. Ich weiß aber, dass das MAK, als ich in Wien studiert habe, ein verstaubtes Loch war und erst durch Noever aufgeblüht ist.
Wie schafft es
Wien, sich nicht nur als historische, traditionelle Stadt zu positionieren?
Das gelingt gut. Es gibt viele Künstler, die man schätzt. Ich mag zum Beispiel sehr die Arbeiten von Erwin Wurm oder von Gelatin. Wichtig ist auch das Programm im Österreichischen Kulturforum, das sehr in Richtung Moderne geht. Aber der Platz, an dem es steht, ist halt eine Katastrophe.
Aus welchem Grund?
Es liegt im Schatten des Museum of Modern Art, das ist ein großer Nachteil. Keiner will sich nach dem großen MoMA noch eine kleinere Ausstellung im Österreichischen Kulturforum anschauen. Das Programm ist gut, aber es kommen kaum Leute hin. Es wäre damals viel klüger gewesen, sich für diese enormen Kosten etwa in Chelsea etwas zu kaufen. Da hätte man zehn Mal so viel Platz bekommen.
Sie leben seit 22 Jahren in
New York. Würden Sie jungen Künstlern heute auch empfehlen, sich hier anzusiedeln?
Nein, sicher nicht. Manhattan ist zu teuer geworden. Ich kann mir meine Wohnung auch nur leisten, weil ich sie vor 20 Jahren gekauft habe. New York ist älter und etablierter geworden, so wie ich (lacht). Heute würde ich jungen Menschen raten, nach London zu gehen, oder nach Amsterdam, Barcelona, Tokio, eventuell Bangkok, São Paulo, Mexiko City, Los Angeles oder, wenn sie sich mit Technologie beschäftigen, nach San Francisco.
Aber zwingend weg aus
Österreich?
Nicht unbedingt. Die Ausbildung in Wien oder in Berlin ist sehr gut. Aber zum Arbeiten würde ich Künstlern Berlin nicht als wichtigsten Ort empfehlen. Allein ein Bezirk in Brooklyn hat mehr Galerien als ganz Berlin.

Nein, das Plattencover ist tot. Das war sehr zeitspezifisch, etwa von in den Jahren 1960 bis 2005. Es gibt zwar jetzt durch die Vinylwelle eine kleine Wiederbelebung, aber das ist nur etwas für Spezialisten. Mich hat das Plattencover als Massenprodukt interessiert – dass man mit Grafik und Design in Wohnzimmer von Finnland bis Brasilien kommen konnte.
Sie haben zwei Grammys gewonnen. Auf welche Cover sind Sie heute noch besonders stolz?
Auf vieles von den Talking Heads und David Byrne, auf Platten von Brian Eno oder von Lou Reed, etwa sein Album " Ecstasy". Lou Reed war überhaupt unser treuester Kunde. Er hat Plattenveröffentlichungen sogar verschoben, um zu warten, bis wir für die Gestaltung des Covers Zeit hatten.
Wie sehr hat sein Tod Sie getroffen?
Ganz besonders. Lou Reed verkörperte New York wie kein anderer. Er war der Barde dieser Stadt und fehlt sehr. Seine Witwe Laurie Anderson hatte uns auch gebeten, die Einladung zu seinem Memorial im Apollo Theater zu gestalten.

Wir sind insgesamt sechs Leute. Zu 50 Prozent beschäftigen wir uns damit, Entwicklungen zu beobachten und neue Dinge zu entwerfen. Zu 50 Prozent sind wir mit klassischer Kommunikation und Auftragsarbeiten befasst, zurzeit etwa mit dem neuen Branding für zwei New Yorker Museen. Wir haben zuletzt auch einen Dokumentarfilm über das Glück gemacht. Eine Show zu diesem Thema, die "The Happy Show" heißt, war ein Riesenerfolg in Chicago und bricht gerade alle Besucherrekorde in Offenbachs Opernhaus in Paris.
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