Rudolf Buchbinder: Wenn es keine Grenzen zu geben scheint

Rudolf Buchbinder
Der österreichische Pianist spielte im Musikverein Bach, Beethoven und Chopin. Die Kritik.

Im Musikvereins-Zyklus „Große Solist:innen“ trat nun ein Solist auf, auf den das künstlerische Prädikat „groß“ besonders zutrifft: der Pianist Rudolf Buchbinder. Und wie es bei Großen immer wieder der Fall zu sein scheint, ist der Maßstab, den er setzt und an dem er gemessen wird, nur der eigene. Will heißen: Er befindet sich recht alleine in seinem pianistischen Universum, dessen Ausdehnung er als Forscher selbst regelmäßig überprüft.

Diesmal stellte er Johann Sebastian Bachs „Englische Suite Nr. 3“ an den Beginn seines Recitals und vollbrachte auf dem Steinway-Flügel den Beweis, dass sich bei diesem Komponisten nicht die Frage stellt, welchen Baujahres das Instrument sei, ob also historisch oder neueren Datums, sondern dass es nur um das Wie geht.

Mit radikaler Vehemenz und schier unglaublicher Rasanz bewältigte er die anspruchsvollsten Verzierungen und geradezu verrückt scheinenden Kaskaden in phänomenaler Klarheit und mit einer Klangkultur, die ihn als Wissenden und immer weiser Werdenden auswies. Mit solchen Attacken auf einem pianistischen Hochgeschwindigkeitskurs hat man das selten vernommen, schon gar nicht unter Beibehaltung der genialen Bach’schen Melodik.

Virtuos und radikal

Ludwig van Beethovens „Waldsteinsonate“ geriet danach nicht minder virtuos, präzise und radikal – als wollte er auch in diesem Fach zeigen, wie sich seine Interpretation weiterentwickelt bzw. wie sehr es sich lohnt, Grenzen stets aufs Neue auszuloten und sogar zu verschieben.

Das Programm nach der Pause widmete er Chopin, dessen „Walzer cis-Moll, op. 64/2“, dem „Fantaisie-Impromptu cis-Moll, op. 66“ sowie der „Sonate Nr. 3 h-Moll, op. 58“. Mit noblem Anschlag, klangmalerischer Vielfalt, raffiniertem Wechsel der Tempi und wienerischen Ritardandi beim Walzer zelebrierte Buchbinder den melodischen Reichtum Chopins auf sensible, kraftvolle, aber nie kraftmeierische Art.

Das Publikum dankte mit Jubel. Und wer ihm beim Schlussapplaus in die Augen sah, merkte vielleicht, wie wichtig ihm selbst dieser Abend war und dass wahre Größe darin besteht, dass nie etwas zur Routine wird.

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