Da ist Johannes Rosmer, dessen Frau Suizid begangen hat (durch Selbstverbrennung, nicht wie bei Ibsen im Wasser). Unter dem Einfluss einer jungen Frau wird er zum politischen Radikalen (und zwar zum rechten, nicht wie bei Ibsen zum linken).
Da ist sein Schwager Kroll, der entsetzt ist über Rosmers Abkehr von der Gutmenschlichkeit.
Und da ist die junge Rebekka, die Rosmer manipuliert, die Mitschuld trägt am Tod seiner Frau und die gegen die Schatten der Vergangenheit ankämpft.
Ulf Stengls Text ist eine sogenannte Überschreibung – und wie man das wirklich gut macht, zeigt das kleine Theater TAG in Wien-Gumpendorf seit Jahren vor. Bei Stengl ist das Unterfangen nur teilweise gelungen.
Sein Text zerfällt ist zwei grob zerschnittene Teile. In den etwa 50 Minuten vor der Pause wird das Politische verhandelt. Kroll, der linke Gutmensch, ringt mit ziemlich vorhersehbaren Argumenten, aber dennoch nicht ohne Erfolg, um die Seele seines Schwagers, eines Kulturwissenschaftlers, der plötzlich extreme Ansichten entwickelt hat und jetzt auf Nazi-Internetseiten publiziert. Rosmer verteidigt sich mit vagen Behauptungen, um relativ bald einzuknicken: Sein guter Ruf als Wissenschaftler ist ihm wichtiger als seine neuen „Überzeugungen“.
Was zwischen ihm, der jungen Rebekka und seiner Frau wirklich vorgefallen ist, wird nur angedeutet.
Teil zwei (etwa 40 Minuten kurz) behandelt dann die mehr als komplizierte Beziehung zwischen Rosmer und Rebekka, die einander in gegenseitiger Abhängigkeit verbunden sind. Jetzt hat das Politische Pause, es geht um Taten und Wunden der Vergangenheit, und das Geschehen eskaliert langsam in Richtung auf ein extremes Ende.
Stengls Text hat hohes Potenzial, aber er verbleibt zu oft im Vagen, Ungefähren, Angedeuteten. In Elmar Goerdens ruhiger, gelassener Regie entwickelt er zu wenig Sogkraft, um zu faszinieren, zu packen, zu erschrecken. Wieso da menschlich so vieles krass aus dem Ruder läuft, erschließt sich nicht recht – und es interessiert einen beim Zuschauen auch zu wenig.
An den Darstellern liegt es sicher nicht. Der wie immer wunderbare Joseph Lorenz (dürfen wir ihn, bittedanke, öfter auf der Bühne sehen?) ist ein überzeugender Kroll, idealistisch und ehrlich entsetzt über die Wandlung seines Schwagers.
Herbert Föttinger zeichnet den Rosmer als wankelmütigen, letztlich schwachen Menschen, ein hoch interessanter Charakter, der sich konsequent um seine Verantwortung herum lügt.
Ereignis des Abends ist aber Katharina Klar, eben erst vom Volkstheater an die Josefstadt gewechselt: Sie entwirft Rebekka als Mensch mit schrecklicher Vergangenheit, der im Radikalen Halt gefunden hat. Sie ist gleichzeitig verängstigtes kleines Mädchen wie manipulative, erotische Frau. Sehr stark!
Das Premierenpublikum spendete sehr freundlichen Applaus für ein trotz allem sehenswertes neues Stück, das nicht alle seine Möglichkeiten ausschöpft.
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