"Romulus der Große“: Lieber Hühner züchten statt Krieg führen
Romulus der Große, verarmt: Der goldene Lorbeerkranz hat nur mehr fünf Blätter.
Vor einem Jahr, am 29. Oktober 2024, starb Julia Reichert, die Prinzipalin des Kabinetttheaters: Sie hatte zunächst in Graz und von 1996 an in der Porzellangasse – in einer Werkstatt, die auch Bühne, Bar und Salon ist – hinreißendes Objekt- und Figurentheater gemacht.
Reicherts Wunsch war es, dass ihr Team den Betrieb fortführt. Und so wird heuer nicht nur wieder Hugo Balls dadaistisches „Krippenspiel“ (zum bereits 29. Mal!) gegeben: Dramaturgin Alexandra Millner und Regisseurin Tanja Ghetta setzten die Idee von Reichert um, auf der kleinsten Bühne Wiens „Romulus der Große“ von Friedrich Dürrenmatt zu spielen.
Guckkästen gibt es dieses Mal keine: Katarina Csanyiova, Walter Kukla und Andreas Pronegg nutzen einen Tisch als Bühne für die vielen, rund 30 Zentimeter großen Figuren von Roman Spieß. Diese können, mit der Hand geführt, Gliedmaße bewegen und mit dem Kopf nicken. Mehr braucht es nicht, um die recht absurde Geschichte des letzten Kaisers von Westrom zu erzählen, der nur darauf wartet, dass Odoaker und die Germanen ihn erlösen. Denn weit mehr als Politik interessieren ihn die Hühnerzucht und das Ei zum „Morgenessen“.
Im Zentrum steht denn auch ein Hasenstall voll gackernder, mit den Flügeln schlagender Hendln, deren Hervorbringungen über eine Regenrinne direkt auf dem Tisch landen. Die Umbauphasen untermalt Multiinstrumentalistin Anna Clare Hauf mit ziemlich schrägen, zur Handlung passenden Interpretationen: Es erklingt unter anderem der Triumphmarsch aus der „Aida“ und die Filmmusik zu „Der Pate“. Das rund 70-minütige Gesamtkunstwerk gereicht Julia Reichert zur Ehre.
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