Pop

„So viel Beängstigendes in der Luft“: Die Band Kreisky schaut in Abgründe

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Die Gruppe um Sänger Franz Adrian Wenzl gibt sich auf ihrem neuen Album „Adieu Unsterblichkeit“ düsterer als zuletzt.

Es ist keine Fiktion, wenn Kreisky-Sänger Franz Adrian Wenzl davon singt, wie siebenjährige Buben beraten, wie sie sich als Gruppe nennen sollen und bei „Nazis“ hängen bleiben.

„Ich habe sie am Straßenrand beobachtet“, erzählt Wenzl, der auch als Austrofred unterwegs ist, im Interview mit dem KURIER. „Sie hatten keine Ahnung, was das bedeutet. Sie dachten erst an ,Wikinger‘ und ,Piraten’, sagten dann aber, das ist langweilig, und kamen auf ,Nazis’: Ich dachte ,Oh oh!’“

Heute besingt der Musiker das in dem Song „Pedale“, einem der Titel des neuen Kreisky-Albums „Adieu Unsterblichkeit“. Die Indie-Rock-Band liefert damit nach dem eher poppigen Vorgänger eine „finstere Liedsammlung“, die musikalisch an die bissige Noise-Rock- und Punk-Attitüde anschließt, mit der die Band vor 20 Jahren startete.

Bissig

Die genauso bissigen Texte greifen häufig Alltagsbeobachtungen wie die mit der Gruppe Buben auf, werden im Laufe der Songs aber gern absurd und bedrohlich.

„Wir wollen nach wie vor keine politische Band sein“, sagt Wenzl. „Beim vorigen Album dachte ich, jetzt bin ich über 40, da muss ich nicht mehr cool sein. Das waren wir eh nie, aber der Gedanke war so befreiend, das wir in vielen Songs die jugendliche Naivität gefeiert haben. Jetzt aber liegt so viel Beängstigendes in der Luft. Da kommt man nicht drumrum, wenn man den Alltag beschreibt.“

Drummer Klaus Mitter ergänzt: „Als wir mit der Band begonnen haben, lebte man wesentlich sorgloser. Da standen Themen wie Kunst, Kultur und Wissenschaft im Vordergrund. Jetzt sind Parteipolitik und Weltpolitik die Themen, die alles dominieren.“

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Nachtstück

Texte wie die für „Fressen“ („ein Kannibalen-Torch-Song“) oder „Nachtstück“ (über menschliche Abgründe) inszeniert Wenzl gerne wie einen Traum: „Das ist super, denn der Traum orientiert sich an der Wirklichkeit, wandelt sich aber und kann ein Albtraum werden. Er greift ohne eine Geschichte zu erzählen bildhaft all das auf, wo man das Gefühl hat, da stimmt etwas nicht.“

Der Traum-Ansatz lässt Hörern auch Raum dafür, die Kreisky-Texte individuell zu interpretieren. Das, sagt Wenzl, sei zwar nicht immer sein Ziel, aber „erlaubt und erwünscht“: „Bei dem Song ,Die Idee war gut’ lässt sich alles hinein interpretieren. Da kann die Demokratie genauso gemeint sein wie die Sozialen Medien oder Mobilität. In meinem Kopf habe ich da schon alles durch.“

Und trotzdem: Spaß

Kreisky wollen als nicht-politische Band keine Botschaft vermitteln, sondern „nur“ interessante Musik machen. Bassist Helmuth Brossmann betont deshalb: „Wenn wir die Songs erarbeiten, sitzen wir nicht da und denken ,Die Welt ist so grausam!“ Wir haben im Gegenteil sehr viel Spaß beim Kreieren.“

Der finale Song von „Adieu Unsterblichkeit“ sendet aber doch eine deutliche Botschaft. Er heißt „Was ist das für eine Welt“, stammt aus dem gleichnamigen TV-Tatort, für den Kreisky den Soundtrack geschrieben haben. Acht Minuten referiert Wenzl dabei über das, was auf dieser „blöden Welt“ schief geht, während die Musik abgründig brodelt. Dann schwindet die Nervosität des Beats, der Sound wird dramatisch und kraftvoll, und Wenzl schiebt Worten wie Brutalität, Hass und Leid ein trotziges „Es ist die einzige Welt!“ nach.

„Das ist ein positives Ende“, sagt er. „Meine Singhaltung ändert sich dabei von anklagend zu ermächtigend – denn man erkennt, was man an der Welt hat.“

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