Rock ’n’ Roll – eine Explosion

"Die Geschichte des Rock ’n’ Roll in zehn Songs" ist auf Deutsch erschienen.

"Nimm die ganze Popmusik, stopf sie in eine Patronenhülse, befestige die Zündkapsel und feure die Pistole ab", sagte Pete Townshend von The Who im Jahr 1968. Worauf es ankomme, sei die verdammte Explosion, die diese Songs erzeugen, wenn man abdrückt. Das ist Rock ’n’ Roll – ein Ereignis.

Der US-amerikanische Autor Greil Marcus widmet sich in seinem nun auch auf Deutsch vorliegenden Buch der "Geschichte des Rock ’n’ Roll in zehn Songs". Darin zitiert er nicht nur Peter Townshend, sondern auch Neil Young: "Rock ’n’ Roll ist die ungebremste Leidenschaft. Rock ’n’ Roll ist die Ursache von Country und Blues. Country und Blues waren natürlich zuerst da, aber irgendwie hat der Rock ’n’ Roll in der Abfolge der Ereignisse keinen Platz."

In "Die Geschichte des Rock ’n’ Roll in zehn Songs" breitet der 70-Jährige sein ganzes musikalisches Wissen aus, taucht tief in die Materie ein und stellt Verbindungen zwischen Songs aus unterschiedlichen Dekaden der Popmusik her. Damit wird er seinem Image als Mann von Fach, Auskenner und notorischer Besserwisser gerecht – der Musikkritiker hat nicht nur viel Erfahrung, sondern auch sehr viel Meinung.

Bibel

Greil Marcus ist verantwortlich für wuchtige Texte im Feuilleton und große Bücher: "Mystery Train" (1975) ist sein bislang bekanntestes wie populärstes – eine Bibel für Plattensammler. Apropos Bibel: In seiner 18-seitigen Einleitung "Eine neue Sprache" predigt der Kulturkritiker die frohe Botschaft: Popmusik ist nicht tot. Sie atmet. Aber nur solange wir sie für uns am Leben erhalten. Das "Am-Leben-Erhalten" erledigt Marcus dann mit seinen Erzählungen für uns.

Die Buchkapitel tragen Titel von Songs, die die vergangenen 50 Jahre Musikgeschichte abdecken – von Etta James’ "All I Could Do Was Cry" über "Transmission" von Joy Division bis zu "Money (That’s What I Want)" von Barrett Strong. "Alle Rock-’n’-Roll-Songs, in denen es um Geld geht, wurden davon beeinflusst", schreibt Marcus und reist mit dem Leser zurück ins Detroit des Jahres 1959, zurück an den Tag, an dem der Song entstand – die erste Veröffentlichung auf Berry Gordys Label Tamla Records, aus dem später das Motown-Imperium hervorgegangen ist.

Die Spaziergänge durch die US-amerikanische Populärkultur lesen sich dann aber nicht wie eine nur auf Fakten basierende, staubtrockene wissenschaftliche Arbeit. Es sind viel mehr informative, unterhaltsame Geschichten für Spezialisten im Fach "Rock- und Popgeschichte", für Musikliebhaber, die ihr Wissen erweitern möchten.

Love

Greil Marcus stellt auf knapp 300 Seiten immer wieder verblüffende Zusammenhänge her: Warum ist die von Amy Winehouse gesungene Version von "To Know Him Is To Love Him" originaler als das Original von den Teddy Bears?

Wer Antworten auf solche Fragen sucht, wird dieses Buch schätzen. Menschen, die noch nie etwas von Buddy Holly oder Peter Hook gehört haben, sollten lieber zu einer anderen Lektüre greifen.

Das Buch „Die Geschichte des Rock 'n' Roll in zehn Songs“ von Greil Marcus mit einer Lederjacke.
Honorarfrei bei Erwähnung des Buches von Greil Marcus. Foto: Reclam.
Greil Marcus: „Die Geschichte des Rock 'n' Roll in zehn Songs“
Übersetzt von Fritz Schneider.
Reclam Verlag.
292 Seiten.
23,60 Euro.

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