Rechnungshof zerpflückt Bundestheater

Ein Mann mit Brille und Schnurrbart gestikuliert mit dem Finger.
Auch starke Kritik an der Rolle der Kulturpolitik. Hartmann-Anwälte streiten Barzahlungen weiter ab.

Die Bundestheater-Holding hat in ihrer Kontrollfunktion versagt. Sie hat keine ausreichenden Maßnahmen gegen die zunehmenden Finanzschwierigkeiten der Bundesbühnen (Staats- und Volksoper sowie Burgtheater) gesetzt. Und auch die Kulturpolitik hat tatenlos zugeschaut.

Das zeigt ein Bericht des Rechnungshofes, der die Jahre 2009–2012 der Holding unter Georg Springer im Detail geprüft hat. Neben vielen eher verwaltungstechnischen Anmerkungen finden sich darin zahlreiche pikante Details und auch grundlegende Kritikpunkte gegenüber den politisch Verantwortlichen. Der Bericht lässt auch erahnen, wie das explosive Gemisch der Burgtheater-Affäre entstehen konnte: Es mangelte an Kontrolle, sowohl vonseiten des Ministeriums als auch der Holding.

Und grundlegende Elemente einer transparenten Buchführung wurden von der Holding nicht oder nur unzureichend eingefordert.

Barauszahlungen

So wurden etwa von 2009 bis 2012 von den Bundesbühnen – Staats- und Volksoper sowie Burgtheater – insgesamt 8,9 Millionen Euro an Künstler und Mitarbeiter in bar ausbezahlt. Der Großteil davon, 7,13 Millionen, vom Burgtheater. 229 Barauszahlungen an Beschäftigte gab es dort insgesamt – die meisten davon, nämlich 39 Auszahlungen in der Gesamthöhe von 10.169 Euro, gingen an den mittlerweile entlassenen Direktor Matthias Hartmann. Derartige Barauszahlungen waren bereits großes Thema in der Burgtheateraffäre und haben mittlerweile ein steuerrechtliches Nachspiel für das Theater.

Pauschalprämie

Zwar keine Bar-, aber Prämienzahlungen an den ehemaligen Geschäftsführer der Holding – Georg Springer ist mittlerweile in Pension – sind ebenso Thema des Rechnungshof-Berichts: Springer erhielt 2011 einen Zuschlag zum Jahresbezug von fast 37 Prozent, und damit insgesamt 258.000 brutto.

Im Jahresmittel summierten sich die Prämien 2009 – 2012 auf 20.000 Euro – und diese wurden, so betont der Rechnungshof, für "Leistungen ausbezahlt, die als Aufgaben in seiner Arbeitsplatzbeschreibung enthalten waren oder den üblichen Tätigkeiten eines Geschäftsführers entsprachen".

Oder auch für Leistungen, "die vielfach nicht konkret formuliert waren und kein Zielausmaß enthielten". Prämien also für die Erfüllung des Jobs bzw. nicht aufgrund Erreichung konkreter Ziele.

Doch die Probleme der vergangenen Jahre gehen tiefer: Die Bundestheater-Holding ist, so sieht es das entsprechende Gesetz vor, der Staats- und Volksoper sowie dem Burgtheater übergeordnet. Sie soll diese Bühnen koordinieren und kontrollieren.

Und das hat sie in untersuchten Bereichen "unzureichend" getan, wie der Rechnungshof festhält. So wurden das vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip (dass also beide Geschäftsführer Rechnungen unterschreiben) und Controlling-Pflichten nicht ausreichend gewahrt bzw. missachtet. Quartals-Berichte waren nicht gesetzeskonform.

Auch wurden Finanz-Probleme zwar thematisiert, aber nicht gelöst: Die Holding musste ab 2009 Jahr für Jahr ein Minus in der Bilanz ausgleichen. Dafür wurden Rücklagen in Millionenhöhe (konkret: insgesamt 7,34 Millionen Euro) aufgelöst.

Die Reaktion? Man sah zu. Weder ersann die Holding Maßnahmen zum Ausgleich der negativen Ergebnisse, noch wurde sie von der Kulturpolitik dazu beauftragt.

Ein besonderes Schmankerl sind jene Maßnahmen, die eine 520.000 Euro teure Evaluierung der Holding nahe legte: 12 Millionen Euro Optimierungspotenzial gebe es in der Holding, hieß es; die damalige Kulturministerin Claudia Schmied wollte der Holding kein zusätzliches Geld geben, bis dieses Potenzial ausgeschöpft worden ist.

Nur wurden hier Vorschläge gemacht, die in der Holding längst in Umsetzung waren, sagt nun der Rechnungshof. Sprich: Neue Ideen, wie man spart, ergaben sich keine. Bzw. fast keine: Eine Anregung bezüglich des Reinigungsdienstes hatte ein Sparpotenzial von satten 5000 Euro.

Die Anwälte des entlassenen Burgtheaterchefs Matthias Hartmann halten die Ausführungen des Rechnungshofs zu Barzahlungen an ihren Mandanten für "unrichtig". Weder die im Bericht erfassten 39 Barzahlungen in der Höhe von mehr als 10.000 Euro noch das bar bezogene und dann wieder bar einbezahlte Regiehonorar in der Höhe von 40.000 Euro habe es gegeben. "Das ist nachweislich falsch", so die Anwälte.

Georg Schima und Katharina Körber-Risak, die Hartmann im arbeitsrechtlichen Prozess gegen das Burgtheater vertreten, konstatieren in einer Aussendung vielmehr, dass aus dem Bericht die "von höchster Stelle verordnete Verschleierung und Intransparenz" hervorgehe. Sie vermuten, dass der Rechnungshof vom vormaligen Holding-Chef Georg Springer und Ex-Burgtheater-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky hinters Licht geführt wurde.

Dem Bericht zufolge wurden an Burgtheater, Volks- und Staatsoper in den Geschäftsjahren 2009/10 bis 2011/12 insgesamt 8,91 Millionen Euro bar ausgegeben. Mit 7,13 Mio. Euro entfielen davon rund 80 Prozent auf das Burgtheater. Von den insgesamt 229 Barauszahlungen habe Hartmann die meisten erhalten, so der Bericht.

Nun gibt es also das schwarz auf weiß und in allen Details, was man nach der Burgtheateraffäre längst wusste: Die Bundestheaterholding hat in ihrer ureigensten Aufgabe, der Kontrolle und Koordination der Bundes-Bühnen, versagt.
Was bleibt? Ein verheerendes Bild in der Öffentlichkeit.

Was kommt? Kulturminister Ostermayer hat nun alles an Argumentationsstoff zusammen, was er für eine bereits angekündigte Reform der Holding braucht. Die wird in Richtung einer Stärkung der Holding gehen, und das ist nur auf den ersten Blick paradox: Eine starke Holding könnte besser kontrollieren – und auch Parallelstrukturen in den Bühnen beseitigen.

Doch das alles ist, wie man so unschön sagt, Ergebniskosmetik: Das Desaster an der Burg und die Rolle der Holding kann man nur noch nachträglich aufarbeiten; der Schaden ist angerichtet.

Sprengstoff

Und er betrifft nicht nur die Bundestheater. Hier geht es um die gesamte Kulturpolitik.

Der Rechnungshof legt selbst den Finger auf die Wunde, mit einer unscheinbaren Wortfolge, die viel Sprengstoff birgt.
Es ist die Antwort auf das Argument der Holding, dass man zwischen real sinkender Subvention, ständig steigenden Personalkosten und dem gesetzlichen Kulturauftrag aufgerieben werde. Jetzt kommt’s: Der kulturpolitische Auftrag, so schreibt der Rechnungshof, könne ja doch auch „kostendämpfend“ interpretiert werden. Das heißt: Wenn das Geld knapp ist, muss man halt die Anzahl der Premieren und die Spielorte verringern.

Und genau das ist die Frage, die sich keiner so recht zu stellen getraut: Was will man künftig von der Kultur? Das Gleiche, nur billiger? Das ist ein Wunsch ans Christkind, der nicht erfüllt werden wird. Will man ein geringeres Angebot? Schlechtere Qualität? Was das für ein Kulturland heißt – und wie schnell es unwiderruflich bergabgehen kann –, sieht man in Italien und Spanien.

Der Schaden ist angerichtet. Er möge nicht größer werden.

Sowohl die Bundestheater-Holding als auch das Bundeskanzleramt sagten in ersten Reaktionen auf den Rechnungshof-Bericht konstruktive Maßnahmen zu. So nehme die Holding die Kritik als "einen wertvollen Input zur Optimierung der Organisationsabläufe" wahr, vermisse im Bericht aber das "eigentliche Hauptproblem" der jährlich steigenden Personalkosten. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) nehme die Erkenntnisse der Prüfung "sehr ernst" und werde Ende Juli ein Organisationsberatungsunternehmen mit der Prüfung und Ausarbeitung eines Reformkonzeptes beauftragen.

Laut SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel müsse sich die Republik Österreich "im Fall des Falles auch eventuelle Schadenersatzforderungen vorbehalten".

Desaster

Mit "Bestürzung", reagierte ÖVP-Kultursprecherin Maria Fekter auf den RH-Bericht. Sie forderte ein umfassendes Neukonzept für die Bundestheater-Holding.

"Das Kulturministerium unter Claudia Schmied und die Bundestheater unter Georg Springer sind sehenden Auges ins Desaster gerannt", sagt der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl.

In ihrer bisherigen Kritik bestätigt sehen sich die NEOS.

Ebenfalls "bestürzt" zeigte sich das Team Stronach.

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