Ein Lied heißt ja auch „Nie wieder jung sein“…
Ja, da glaubt man, der will sich was schönlügen. Aber das stimmt nicht. Ich bin 1965 ins Gymnasium gekommen, in ein Internat, das war nicht lustig. Es hat das Züchtigungsrecht gegeben, die g’sunde Watsch’n war Erziehungsmethode. In dem Internat gab es absurde Regeln: Glockenhosen und lange Haare waren verboten. Wenn man dagegen verstoßen hat, gab es drastische Strafen. Man ist Samstag und Sonntag eingesperrt gewesen, durfte nicht nach Hause. Mich haben’s einmal mit einem „Fix und Foxi“-Heft erwischt. Comics waren verboten und ich musste dieses Heft auswendig lernen, mit allen Huchs und Stöhns. Das waren Foltermethoden. Die Landserhefte waren übrigens erlaubt. Die Erzieher haben vorwiegend geschrien. Ich war in einem humanistischen Gymnasium, aber ich hab kein einziges Wort über den Zweiten Weltkrieg in einem Geschichtsbuch gelesen, ich hab bis zur Matura nicht einmal gewusst, was das Wort Holocaust bedeutet. In unserer Clique hab ich immer das wenigste Geld gehabt, nie einen Schilling Taschengeld, eine schöne Jugend war das nicht. Ich habe mich untergedrückt gefühlt von meinem Vater. Der hat nicht erzogen, der hat geherrscht. Er hat gesagt: „Das Patriarchat gibt’s seit 6000 Jahren, das hat sich bewährt“, und er hat damit die Lacher auf seiner Seite gehabt. Ich war das erste Mal frei, als ich von zuhause weggegangen bin. Jetzt besteht meine Freiheit darin, dass ich nicht machen kann, was ich will, sondern dass ich nicht machen muss, was ich nicht will. Das ist ein wahnsinnig junges Gefühl.
Der Song „Glaub ned olles“ lässt einen gleich an Fake News im Internet und Leichtgläubigkeit auf Sozialen Medien denken. Haben Sie Erfahrungen damit?
Ich habe letztens einen Jugendforscher gehört, der hat gesagt: 80 Prozent der deutschen Erstwähler haben ihre politische Bildung aus dem Netz. Und wer ist im Netz so stark? Die konservativen Parteien sind es nicht, die AfD ist es. Das Netz ist eine ganz große Gefahr. Als die Sozialen Medien aufgekommen sind, haben sogar Philosophen gesagt: Die werden die Welt besser machen. Genau das Gegenteil ist passiert. Wir sind ängstlicher, aggressiver, man moralisiert, zeigt mit dem Finger auf andere. Die Hochgeschwindigkeitskommunikation hat nur dazu geführt, dass wir verunsicherter sind. Und dann noch diese Heckenschützen-Mentalität, dass man aus der sicheren, anonymen Deckung seinen Hass loswerden kann. Das ist für mich das Bedenklichste. Hasspostings sehe ich wie eine perverse Art der Selbstbefriedigung. Ich glaube, das Wichtigste für eine bessere Zukunft ist, wir müssen aufhören, einander zu verletzen. Man kann anderer Meinung sein. Man muss jemanden, der anderer Meinung ist, nicht verletzen. Ich war mit meinem Vater ein Leben lang unterschiedlicher politischer Meinung. Es geht nicht an, dass man den anderen beschimpft oder bekämpft. Ich schimpf auch nicht auf die FPÖ.
Die Hemmschwellen sind auch in der politischen Kommunikation ziemlich heruntergefahren worden…
Mein Vater hat immer gesagt, wenn dein Gegenüber in einer sachlichen Diskussion beginnt, dich zu beschimpfen, dann kannst du davon ausgehen, dass er nicht recht hat. Der Umgangston ist beschämend, es ist eine Fäkalsprache, es wird geschimpft, es fallen Sätze, Aussagen, die eines Spitzenpolitikers unwürdig sind. Dieses Patzige, was man in Medien so hört und liest von Politikern, ist so unwürdig. Das ist ja ein Volksvertreter, ich möchte von Menschen, die so reden, nicht vertreten werden.
Es scheint, als wäre der Aufschrei gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung 2000 in der Kulturszene noch deutlich lauter ausgefallen als heute. Woran liegt das?
Ich hab Schauspielkollegen, die sagen: Ich sag überhaupt nichts Politisches mehr, ich brauch keinen Shitstorm. Es ist wirklich so, dass viele Künstler Angst haben, dass sie mit ihrer politischen Meinung dann kein Engagement in einem staatlichen Theater, keine Rollen mehr im Fernsehen bekommen. In den Rundfunkstationen haben sie Angst, in ihrer Freiheit beschnitten zu werden. Da müssen wir wirklich aufpassen. Die Menschen werden eingeschüchtert.
Wie sind wir Ihrer Meinung nach in diese Lage geraten?
Es stimmt schon, dass der ganze Rechtsruck darauf basiert, dass sich viele Regierungen in der Komfortzone bewegt haben. 2016 bei der Sicherheitskonferenz in München hab ich mir gedacht: Dem Putin trau ich nicht übern Weg. Da waren viele blauäugig oder ignorant. Ich erwarte von einem Politiker nicht, dass er alles weiß, aber ich erwarte einen gewissen Weitblick und Empathie. Man muss vielleicht als Politiker auch einmal unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn die für die Allgemeinheit besser sind.
Sie sagen, Sie singen „I am from Austria“ jetzt erst recht wieder – warum?
Der Text von dem Lied wurde oft missverstanden. Heute sing ich es wieder, denn es stimmt wieder: „I kenn die Leit, i kenn die Rattn, die Dummheit, die zum Himmel schreit.“ Jetzt sind wir wieder soweit, dass wir in Europa als Nazis dastehen. Und dagegen muss ich wieder aufstehen, denn das stimmt ganz einfach nicht. Es stimmt nicht, dass ein Drittel der Österreicher radikal rechts ist.
Solche Pauschalisierungen – auf allen politischen Seiten – sind auch eine Gefahr, oder?
Das schlimmste Wort der letzten Zeit ist Remigration. Wenn der Herr Kickl sagt, er weiß nicht, was daran schlecht ist, sag ich: Alles. Ich habe zwei Beispiele, die zeigen, dass man nicht alles über einen Kamm scheren kann. Meine Mutter ist Sudetendeutsche, die ist nahe Karlsbad geboren und die mussten aufgrund der Beneš-Dekrete ihre Heimat verlassen. Meine Mutter war 14 Jahre alt, die saßen beim Mittagessen, als Militär kam, einmal mit der Maschinenpistole an die Decke geschossen hat und befohlen hat: „In einer halben Stunde raus!“ Meine Großeltern waren wohlhabende Leute, die hatten eine Tischlerei, eine Glaserei, ein Fuhrwerksunternehmen, die waren dort voll integriert. Meine Großmutter war so nervös, dass sie nur Bettwäsche und Unterwäsche zusammengepackt hat. Die haben nichts gehabt. Meine Großmutter hab’ ich selten lachen gesehen, die war gebrochen. Meine Mutter hat noch am Sterbebett, wenn sie von „daheim“ gesprochen hat, nicht Wien gemeint, sondern Luditz. Auf der anderen Seite kenn ich einen Syrer, der ist mit dem Schlauchboot gekommen. Er ist zehn Jahre da, hat die deutsche Staatsbürgerschaft, spricht gut deutsch, hat einen Imbissladen. Er geht jetzt wieder zurück. Ich hab zu ihm gesagt: Das ist Irrsinn. Er hat gesagt: Das ist meine Heimat. Man muss sich das vorstellen: Die haben keine Heizung, einmal am Tag wird der Ofen angeheizt zum Essen kochen – wenn’s was gibt. Er geht trotzdem zurück in ein kaltes, zerstörtes Syrien, weil er daran glaubt, dass er dem Land etwas geben kann. Weil er dort zuhause ist.
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