„Pygmalion“ in St. Pölten: Eliza will ein würdiges Leben führen

Das Musical „My Fair Lady“ aus den 50er-Jahren ist sentimentaler Kitsch, gewürzt mit einer wohligen Prise Sadismus: Professor Higgins erniedrigt und quält das Blumenmädchen Eliza, er formt und erhebt es zur Dame. Eine pure Männerfantasie könnte man sagen. So hat George Bernhard Shaw sein 1913 im Burgtheater uraufgeführtes Stück „Pygmalion“, das die Vorlage bildet, eigentlich nicht gemeint. Ihm ging es um Gesellschaftskritik: „Er war einer der ersten aktiven Femininsten seiner Zeit, und er hat sein Leben dem Kampf gegen die Armut gewidmet“, sagt Ruth Brauer-Kvam.
Für das Landestheater inszeniert sie nun „Pygmalion“ (Premiere ist am 25. März): „Ich habe vor Jahren die Eliza im Musical gespielt – und mir immer gewünscht, diese Geschichte anders zu erzählen. Ich denke nicht, dass Shaw eine Liebesgeschichte zwischen Higgins und Eliza erzählen wollte. Eliza würde sich nie in einen Narzissten wie Higgins verlieben: Sie will lernen, wachsen, ein würdiges Leben führen und unabhängig sein. Den meisten Frauen blieb so ein Leben in der viktorianischen Zeit verwehrt!“
Aus Ruth Brauer-Kvam, die am Landestheater bereits „Molières Schule der Frauen“ sowie „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ inszeniert hat, sprudelt es richtiggehend, wenn sie von ihrer Fassung erzählt: „Ich lasse mich von Shaws Briefen und Aphorismen, von Milton und von Shakespeare inspirieren. Da eröffnet sich ein ganz neuer und reicher Kosmos!“
Den Higgins wird Julia Kreusch spielen. Denn für Ruth Brauer-Kvam ist der eiskalte Sprachwissenschaftler nur „Geist“, kein Körper: „Ein narzisstisches Genie!“ Da Eliza drei „Entwicklungsstadien durchwandert“, bekommt sie in jeder Phase ein anderes „Gesicht“: Tim Breyvogel spielt die Frau, die auf der Straße Blumen verkauft und es sich nicht leisten kann, weiblich zu sein. Caroline Baas verkörpert die noch nicht salontaugliche Eliza, abgelöst wird sie dann von Marthe Lola Deutschmann.
Es geht generell um Fragen wie: „Was passiert mit einem Menschen, den man in drei Monaten in eine andere ,Form‘ gießt? Was passiert mit seiner Seele, wenn man seine Sprache und natürliche Körperlichkeit ,umerzieht‘?“ Lustvoll und provokant werde Ruth Brauer-Kvam, so die Ankündigung, „in ihrer musikalisch-theatralen Version die patriarchale Welt aus den Angeln heben und den Mythos für das 21. Jahrhundert deuten“. Kyrre Kvam hat für die Inszenierung seiner Frau Shakespeare-Sonette vertont – und er wird live auf der Bühne musizieren. Weitere Termine: 31. 3., 1. 4., 15. 4., 11. 5., 12. 5., 31. 5.
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