Dennoch stellt sich die Frage, wie ein intimes, musikalisches Kammerspiel auf dieser monumentalen Seebühne funktionieren kann. Der Regisseur und Intendant der Zürcher Oper gibt schon in den ersten Szenen die Antwort: als große, präzise gefertigte Show, ein überdimensionales Papierschiff, etwas Hollywood-Flair, viele Klischees und eine hohe Dosis asiatische Folklore inklusive.
"Star Wars"-Landschaft
Japanische Schriftzeichen, Bäume, Sträucher, wie mit Tusche gezeichnet, deuten eine fernöstliche Landschaft an. Dort irrlichtern seltsame, weiß gewandete Wesen. Sie werden später als Geister aus der Vergangenheit zu identifizieren sein. Zunächst führen sie in eine eisgraue Felswüste, die auf einen ersten Blick wie das Abziehbild einer „Star Wars“-Landschaft anmutet.
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Homoki zeigt den Amerikaner Pinkerton als naiven, egoistischen, unsensiblen Eindringling. Wenn er die Wand zu Butterflys fragiler Papierwelt aufreißt, schiebt sich ein Mast mit der Fahne der Vereinigten Staaten langsam in Richtung Himmel. Dort wird die Flagge wehen, solange Pinkerton bei Butterfly weilt. Dann wird sie sich in „Stars and Stripes“ wie in einen Schutzmantel hüllen, denn von ihrem Geliebten wird ihr nur ein Kind bleiben, von dem der jedoch nichts weiß. Homoki kümmern die Fragen nach kultureller Aneignung nicht, seine Butterfly ist weiß geschminkt, die japanischen Figuren tragen traditionelle Kimonos, die Amerikaner sind in schrilles Blau, Gelb und Pink gekleidet.
Videokunst
Ein wesentlicher Teil der Regie ist das Spiel mit Licht (Franck Evin) und Farben. Exzellent Luke Halls Videokunst. Dämonisch lässt er Bonzos Konterfei nach dem Vorbild des Mount Rushmore National Memorials erscheinen. Wenn am Ende ein Feuerzauber à la Walküre Butterflys Welt verschlingt, hat das als Effekt seine Berechtigung. Chapeau vor dem Ensemble, das auf dieser steilen Bühnen agieren muss. Das meistern alle mit Bravour. Barno Ismatullaeva ist eine betörende Butterfly, die von expressiv bis zartfühlend vokal und schauspielerisch alle Register zieht. Ihr Sopran klingt in allen Lagen sehr schön, ihr „Un bel dì, vedremo“ berührt tief.
Otar Jorjikia ist ein stürmischer Pinkerton. Sein gut geführter Tenor besticht mit seinem warmen Timbre. Brett Polegato ist ein wortdeutlicher, vorzüglicher Sharpless, sein Bariton ist präzise geführt. Annalisa Stroppa verleiht der Suzuki mit ihrem herben Mezzosopran das Etikett extra dry. Die kleineren Partien sind gut besetzt. Sehr gut, der Prager Philharmonische Chor und der Bregenzer Festspielchor (Einstudierung: Lukáš Vasilek, Benjamin Lack).
Enrique Mazzola, der am Vorabend bereits bei Verdis „Ernani“ am Pult stand, legt den Akzent auf das Schwelgerische und lässt den Vollklang der Wiener Symphoniker, die ihm mit Hingabe folgen, durch die gut eingestellte Lautsprecheranlage strömen. Das klingt ausgezeichnet. Großer Jubel!
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