„Es geht mir um den Respekt“: Künstler Alfred Hruschka im Porträt

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Der Weinviertler arbeitet als Künstler mit der Natur. Seine kreative Vision setzte er über Jahrzehnte gegen viele Widrigkeiten durch.

Getrocknete Pflanzen. Eierschalen. Birnen. Jutesäcke. Ein T-Shirt, auf dem braune Linien davon erzählen, dass das Kleidungsstück über längere Zeit vergraben und dann wieder ausgegraben wurde.

Die Scheune, in der Alfred Hruschka sein Arbeitsmaterial hortet, ist eine Wunderkammer der besonderen Art. Nicht einfach Speicher, aber auch nicht Museum, nicht geordnet, aber auch nicht chaotisch. Alles hat hier mit allem zu tun, ist verwoben. Hruschka mag Verwobenes, er sammelt Fäden, Seile, Wurzelstöcke. Seit Jahren entstehen Objekte aus Baststücken, die er über Drahtgestellen verstrickt: „Diese Schnüre haben die Bauern früher weggeschmissen“, sagt er.

Alfred Hruschka ist nicht der erste Künstler, der sich mit Materialien befasst, die andere für wertlos erachten. Doch wenige tun es mit so einer Beharrlichkeit und Intensität, abseits des akademischen Kunstbetriebs und entgegen biografischen Weichenstellungen, die den Weg des heute 75-Jährigen mehr als einmal von einer Kunstkarriere weg- als auf eine solche hingelenkt haben.

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Zeitgeist kommt vorbei

In jüngerer Zeit scheint sich Hruschkas Arbeitsweise, die mehr ein Sammeln, Erspüren und Kollaborieren mit natürlichen Abläufen als ein dominantes Gestalten ist, an aktuelle Debatten des Kunstbetriebs anzunähern: In der Schau „Touch Nature“ im Linzer Lentos ist eine Werkgruppe, für die der Künstler gerodete Weinstöcke in Jute einnähte, in musealem Rahmen zu sehen. Doch ein Großteil seiner Arbeit, die sich auch deshalb nicht so leicht in den Betrieb fügt, weil sie wächst, modert oder verfällt, findet außerhalb statt – oft im Weinviertel, dem der Künstler eng verbunden und doch auch ein Stück weit entrückt ist.

„Ich kann gar nicht sagen, wo ich Blut geleckt hab’. Ich wusste nur immer, dass ich künstlerisch tätig sein wollte“, sagt der in Laa/Thaya Geborene. Seine Mutter – eine Schneiderin, die auch malte –, habe ihn wohl inspiriert. „Ich hab’ aber als Jugendlicher nicht gewusst, wie man das ausleben kann. Später habe ich gedacht: Wenn die Mutter gesagt hätte, da gibt’s was in Wien, du könntest auf die Grafische gehen oder so, wär’s vielleicht anders gekommen. Das war aber nicht so.“

Aus der Bahn

Es kam einiges anders. Hauptschule, Lehre, Bundesheer, das Sozialleben spielte sich vor allem im Fußballverein ab. „Dann ist der Vater gestorben, und ich bin ein bissl aus der Bahn geworfen worden“, erzählt Hruschka. Es war eine Phase seines Lebens, die ihn sichtlich bis heute beschäftigt – „Autounfälle, Disco, viel Alkohol. Ich hab mir eine Vorstrafe eingehandelt. War nicht so angenehm. Ich hab’ zeitweise draußen geschlafen, weil ich kein Zimmer gehabt hab’.“

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Es war nicht die Kunst, die Hruschka rettete, sondern ein Bekannter, der ihn „aufgelesen“ hat, wie er sagt. Doch der wieder gefundene soziale Halt weckte erneut die Leidenschaft, kreativ zu sein, brachte Hruschka in Kontakt mit Galerien und Museen. Auch eine gescheiterte Aufnahmeprüfung für ein Studium an der „Angewandten“ hinderte ihn ab da nicht mehr. Die Künstlerin Eva Choung-Fux – selbst Professorin an der Hochschule – entwickelte sich zu einer Mentorin.

Nachdem ein Unternehmen, mit dem Hruschka seine Ideen als Textildrucke umsetzen wollte, nicht funktioniert hatte, lief seine künstlerische Arbeit neben diversen Jobs. Mit seiner Frau zog Hruschka drei Kinder groß.

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Rückblickend, sagt er, hätten sich die Erfahrungen am Rand der Gesellschaft in seine künstlerische Arbeit eingeschrieben. „Es geht mir um den Respekt, nicht nur vor der Natur, sondern auch vor dem Menschen“, sagt er.

Die Dinge, die Hruschka sammelt, sind jeder Hierarchie entnommen, sind eben nicht Abfall, aber auch nicht zwingend Kunst: „Ich finde, alles, was vergeht, hat Wert. Das ist so ein Grundgedanke“, sagt er. Zwischen dem In-Form-Bringen, Arrangieren und Bemalen und dem schlichten Belassen der Dinge entscheidet der Künstler oft intuitiv: „Ich will vermeiden, dass der Geist sich zu sehr einmischt.“ 

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Manches wird zum käuflichen Objekt, anderes ist einfach da – als Spur eines Lebens und als Lupe, um auf die Dinge zu schauen. „Es geht nichts über das, was du machst“, sagt Hruschka. „Ich mache einfach das. Und ich fühl’ mich unheimlich wohl dabei.“

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