Wunschkonzert für einen absoluten Jahrhundertsänger

Es begab sich am 11. August 1975. Der spanische Tenor Plácido Domingo sang erstmals bei den Salzburger Festspielen, in einer Produktion von Giuseppe Verdis „Don Carlo“, dirigiert und inszeniert von Karajan. Der damalige KURIER-Kritiker Karl Löbl schrieb über das Debüt: „ Domingo deutet des Infanten Neurosen dezent an, agiert als vehementer Idealist und ist im stimmlichen Einsatz ein idealer Carlos, weil auch die vorwiegend lyrischen Stellen immer einen dramatischen Kern besitzen.“
Die Regie von Karajan rückte Löbl übrigens qualitativ in die Nähe der Arena von Verona: „Wer von Karajan immer noch psychologisch verfeinerte Regie erwartet, ist selbst schuld.“
Seither sang Domingo bei den Festspielen den Hoffmann, in Verdis „Maskenball“ und im „Trovatore“ auf der Bühne des Großen Festspielhauses, weiters konzertante Opern („Parsifal“, „Pique Dame“, „Samson et Dalila“, „Tamerlano“, „Giovanna d’Arco“ mit Anna Netrebko) und Konzerte. In diesem Sommer hätte er in der Wiederaufnahme neuerlich die (Bariton)-Partie des Grafen Luna im „Trovatore“ geben sollen, nahm die Rolle aber aus seinem Repertoire. Sehr klug.
Gewürdigt wurde der Ex-Tenor mit dem traumhaft schönen Timbre, der mutmaßliche Weltrekordhalter im Einstudieren verschiedener Partien (mehr als 130) und ambitionierte Dirigent in Salzburg dennoch: Am Donnerstag im Großen Festspielhaus bei einer für ihn konzipierten Gala, mit Wegbegleitern wie Maria Agresta, Ana Maria Martinez, Krassimira Stoyanova und Rolando Villazón. Gianandrea Noseda dirigierte das gut spielende Münchner Rundfunkorchester.
Juwel
Den Auftakt machte Domingo mit der großen Gérard-Arie aus Giordanos „Andrea Chenier“. In der Folge sang er Auszüge aus den Partien des Macbeth, des Giorgio Germont (im Duett mit Violetta/„Traviata“), des Boccanegra (im Duett im Amelia), des Dogen aus Verdis „Due Foscari“ und Duette mit Villazón, etwa Marcello/Rodolfo aus „La bohème“ und tatsächlich das Don-Carlo-Rodrigo Duett, obwohl der Marquis von Posa eher nicht mehr seinem Alter entspricht. Lauter Bariton-Rollen also. Am Ende teilte er sich mit Villazón neben drei Violetten den tenoralen Alfredo beim Brindisi.
Auch bei dieser Gala an der Seite herausragender Kollegen wurde klar, welch Juwel da gefeiert wurde.
Kommentare