Phönix Theater in Linz: Wenn Todsünden aktuell werden
„Wollust“: Sofie Pint liest Texte aus Onlinedating-Portalen.
Von: Werner Rohrhofer
Eine mutige Produktionsserie hat das Theater Phönix in Linz gestartet, mutig schon wegen des Titels, der auf den ersten Blick nicht gerade modern anmutet: „Die Sieben Todsünden“. Nach den ersten beiden „Sünden-Abenden“ zeigt sich allerdings, dass das Publikum auf die Thematik durchaus abfährt.
„Es sind bekannte Motive, sie wirken vertraut und sind in der Sache höchst aktuell“, berichtet Theaterchefin Silke Dörner im Gespräch mit dem KURIER. Um die biblische Wurzel in Erinnerung zu rufen: Es geht bei den Todsünden um Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn.
Den äußeren Rahmen der Serie bildet der sogenannte „Balkon“ im Theater Phönix, eine Art Neben- oder besser Hochbühne über dem eigentlichen Saal. Dieses Ambiente bietet sich für den experimentellen Charakter der Sünden-Produktion ideal an, freier Spielraum und Nähe zum Publikum verstärken den Eindruck. Experimentell ist auch die gesamte Konzeption: Jede einzelne Todsünde wird in ganz unterschiedlicher Weise von ebenso unterschiedlichen Teams sowohl des Hauses als auch von Gästen umgesetzt.
„Die Teams haben weitgehend freie Hand, wie das Thema in die heutige Zeit transponiert wird“, erläutert Dörner, „junge Schauspielerinnen und Schauspieler und Regisseurinnen und Regisseure sollen die Gelegenheit bekommen, sich auszuprobieren, Neues zu versuchen.“
Jungpolitiker und Dating
In diesem Sinn haben auch die beiden bisher inszenierten Abende nicht viel mehr als den Sündenbegriff gemeinsam. Bei „Hochmut“ steht ein smarter Jungpolitiker im Mittelpunkt, dessen Aufstieg vorprogrammiert scheint. Bis er eines Abends einem vermeintlich „Vertrauten“ gegenüber zu redselig ist, was gewisse Vorkommnisse in seiner Partei anlangt. Dazu Regisseurin Aruna Reischl: „Frei nach Arthur Schnitzlers ,Leutenant Gustl‘ erzählt dieser Abend von einem falschen Moment der Selbstüberschätzung und seinen unabwendbaren Folgen.“ Darsteller: Lukas Weiss.
Die Sünde „Wollust“ wiederum wird anhand zahlreicher Textbeispiele aus Online-Datings als eine Art szenische Lesung präsentiert. Wüsste man nicht, dass die „Botschaften“ tatsächlich alle aus dem Netz stammen, man würde von theatralischer Übertreibung sprechen und nicht glauben, dass Männer in der Anonymität des Netzes Derartiges von sich geben und damit noch Frauen zu beeindrucken oder ins Bett zu locken hoffen.
Regisseurin Johanna Mayrhofer und die Schauspielerin Sofie Pint setzen die Dating-Sünden manchmal erheiternd, meist aber beklemmend aktuell um.
In der laufenden Spielzeit sind laut Intendantin Dörner noch die Todsünden „Habgier“ – mit musikalischem Schwerpunkt – und „Völlerei“ geplant, Letzteres auch mit klassischen Texten rund ums Essen.
Am Ende der Saison steht eine „Lange Nacht der Todsünden“ auf dem Phönix-Programm, ehe in der Spielzeit 2026/’27 „Neid“, „Trägheit“ und „Zorn“ folgen.
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