Philipp Hochmair: Auf der Suche nach dem wahren Ich
Wenn er nicht auf einer Bühne agiert (bei den Salzburger Festspielen sprang er etwa kurzfristig für den erkrankten Tobias Moretti als „Jedermann“ ein), dann steht Philipp Hochmair vor einer Film- oder Fernsehkamera. Neben zahlreichen Kinorollen ist der 45-Jährige in den ORF-Serien „Vorstadtweiber“ und „Blind ermittelt“ zu sehen – für die er mit einer ROMY-Nominierung bedacht wurde. „Vor allem die ‚Vorstadtweiber‘ sind für mich Meilensteine gewesen und ich bin sehr stolz, dass ich dafür nominiert wurde“, sagt Hochmair. Derzeit dreht der „Immerallesgeber“ in Prag für die „Freud“-Thriller-Serie von Marvin Kren.
KURIER: Wenn man Ihre vielen Rollen und Auftritte allein im vergangenen Jahr Revue passieren lässt, fragt man sich, wie man in diesem Interview Ihrem wahren Ich auf die Spur kommen könnte. Geht es Ihnen manchmal auch so, dass Sie in der Früh aufwachen und zunächst fragen: Wer bin ich?
Philipp Hochmair: Das ist nicht nur manchmal – das ist die ganze Zeit so. Ich habe ja doch mehrere Leben, zwischen denen ich hin- und herswitche. Das ist auch für mich eine Herausforderung. Es ging ja mit „Blind ermittelt“ los, dass die Menschen plötzlich wissen wollten, wer der Mensch ist, der hinter diesem Kommissar steckt. Am Theater ist ja so etwas gar nicht der Fall. Da verschwinde ich hinter dem Werk. Am Theater gab es immer die Philosophie, dass man als Schauspieler hinter den Rollen quasi eine Werkstatt hat, in der man eine Figur erschaffen kann. Bei Film- und Fernsehrollen wird immer sofort hineingeleuchtet. Aber es ist ja auch spannend, damit umzugehen.
Sie haben sicher Tausende Dialogzeilen im Kopf – kommt es da vor, dass Sie bei einer privaten Unterhaltung auf dieses Repertoire zurückgreifen und damit auch im Alltag eine Rolle spielen?
Überhaupt nicht. Es ist eher so, dass mir die Dialoge, die Struktur eines Stückes eine Identität geben. Und wenn die dann wegbricht, dann kommt es schon vor, dass ich auf der Suche nach mir selbst bin, und dass ich mich frage, wer ich eigentlich sein soll, sein kann oder sein darf. Zur Selbstfindung braucht man den Müßiggang, der aber leider viel zu selten stattfindet. Früher habe ich mich immer reingeworfen in den rauschenden Fluss einer neuen Identität. Jetzt fließen gleich mehrere Identitäten neben mir her. Da muss ich halt jeden Morgen meine Waffen neu durchladen (lacht). Wenn dieser „Krieg“ einmal aufhört, dann muss ich statt der Kostüme meine eigenen sieben Sachen zusammensuchen und mir sagen: Das bin jetzt ich. Das ist schon schwer, finde ich.
Es gibt Schauspieler, die ihre Rollen „mit nach Hause nehmen“, also privat weiterspielen. Geht das, wenn man so viele Projekte parallel macht wie Sie?
Ich habe da gern so eine Übergangsphase, in der ich die Kostüme anlasse und noch damit spazieren gehe oder in ein Wirtshaus. Aber das heißt nicht, dass ich in der Rolle bleibe. Ich lade meinen Körper noch einmal mit der Energie der Rolle auf und lasse sie dann verklingen, wie eine Melodie.
Wenn Sie auf der Suche nach der eigenen Identität sind – blicken Sie da manchmal auch in Ihre Vergangenheit?
Ich denke dann an die Zeit, als ich noch zur Schule gegangen bin und ein „normales“ Leben geführt habe. Ich fragte mich: Wie war das Leben früher, wie ist es jetzt? Spiele ich zu viele Rollen parallel, oder bin ich zu einem Spezialisten geworden, der sich einmal in diese Energie und einmal in jene morphen kann? Wo kann ich denn da noch ich selber sein. Oder vielleicht bin ich das ja eh alles selber – ich weiß das nicht so genau. Es ist alles sehr spannend und aufregend und wenn man mich dann fragt, was ich privat denke, dann kommt es vor, dass ich das gar nicht weiß. Ich habe den Anspruch verloren, eine Privatperson zu sein.
Sie drehen gerade für Marvin Krens Serie „Freud“. Wen spielen Sie da?
Es gibt drei Handlungsstränge: den Kriminalfall, den Sigmund Freud und seine Welt und dann gibt es die ungarischen Nationalisten, die das Kaiserreich stürzen wollen. Ich bin einer dieser ungarischen Nationalisten, der Großes vorhat. Diese drei Handlungsstränge werden zu einer unterhaltsamen „Historical Fiction“ verknüpft. Es ist wirklich spannend, anhand der Freud-Figur diese historische Reise zu machen – und Marvin Kren macht das echt gut.
Wie stehen Sie zur ROMY-Nominierung? Sie kommen ursprünglich vom Theater und es gibt viele, die immer noch streng zwischen „U“ wie (Fernseh-)Unterhaltung und „E“ wie ernstes, anspruchsvolles Theater unterscheiden.
Ich sehe mein Leben als Selbstexperiment und ob ich jetzt in Salzburg am Domplatz den „Jedermann“ spiele, ob ich die „Vorstadtweiber“ drehe oder den blinden Kommissar – das ist für mich derselbe Energiefluss. Ich habe Freude, wenn mich Menschen wegen meiner Fernseharbeit erkennen und sagen, ok – ich geh’ jetzt in den „Jedermann“ ins Burgtheater, weil ich wissen will, was das ist. Es gibt vielleicht Leute, die meinen, ich sollte nur noch Theater und Salzburger Festspiele machen, aber das ist mir egal. Wenn sich zwischen meiner Fernseh- und Bühnenarbeit eine Synergie ergibt, die dem zugutekommt, was man „Bildungsauftrag“ nennen könnte, freut mich das. Die ROMY-Nominierung freut mich deshalb auch ganz besonders – nicht nur als persönliche Anerkennung, sondern als Zeichen, dass ich in diesem Sinne auf einem richtigen Weg bin.
Von Gabriele Flossmann.
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