Oper im Steinbruch: Die Piraten vom Neusiedlersee

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Richard Wagners "Der fliegende Holländer" in St. Margarethen: eine kühne Premiere. Und keine reine Irrfahrt.

Zum ersten Mal ist beim Opernfestival im Steinbruch von St. Margarethen ein Werk von Richard Wagner zu hören - allein dafür gebührt Intendant Daniel Serafin die burgenländische Tapferkeitsmedaille.

Wagner ist so viel schwieriger, in der Realisierung und auch in manchen Gehörgängen, als die typischen Open-Air-Klassiker wie "Carmen", "Aida" oder "La traviata". Wagner, zumindest der hier gespielte "Fliegende Holländer", hat keine Juke-Box-Hits aus den Wünsch-Dir-Was-Sendungen der regionalen Radiosender. Und Wagner ist lange (na gut, der "Holländer" nicht so sehr, insgesamt zweieinhalb Stunden ohne Pause, obwohl er für manche länger wirkt) und hat einen philosophischen Überbau, der dem gemeinhin gegebenen Unterhaltungstheater widerspricht.

Dennoch (oder gerade deshalb) zählt Wagner zu den kompositorischen Giganten und zur Königsklasse der Opernliteratur. Eine Wagner-Oper im Steinbruch anzusetzen, ist daher in etwa so, als würde man sich dort statt Spielberg für die Formel 1 (oder statt Wien und Innsbruck für den Songcontest) bewerben.

High risk also bei einem Festival, für das die leichte Zugänglichkeit und die Auslastung nicht unwesentlich sind. Und man muss, hojotoho, zugeben: An diesem "Fliegenden Holländer" in St. Margarethen ist manches durchaus gelungen.

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Zunächst einmal das Allerwichtigste: die Sängerbesetzung. Elisabeth Teige als Senta, eine Bayreuth-erprobte Sängerin (damit der Name des großen Wagner-Festivals einmal vorkommt, aber fortan nicht mehr, denn jeder Vergleich wäre allein schon aufgrund der Rahmenbedingungen und der Historie absurd), ist eine einzige Freude. Sie singt, gleich zu Beginn ihre Ballade und auch in Folge eigentlich alles, auf Topniveau, mit präziser Höhe, viel Ausdruckskraft, Sicherheit in allen Lagen, schönem Timbre, ausreichend Dramatik und feinen lyrischen Momenten. Sie für St. Margarethen bekommen zu haben, grenzt an einen Coup.

George Gagnidze ist ein guter Holländer mit viel Power, ohne zu stark zu forcieren, man versteht im Ansatz sogar, was er singt. Er ist ein Routinier mit guter Technik, ebensolcher Intonation und Phrasierung.

Liang Li als Daland ist weit weniger präsent, aber durchaus solide besetzt. AJ Glueckert singt den Erik ebenso bravourös wie Jinxu Xiahou den Steuermann. Roxana Constantinescu als Mary rundet das gute Ensemble ab, während der Chor leider viel zu klein besetzt ist und dadurch keinen Sog und auch zu wenig Volumen zu entwickeln vermag.

Apropos Volumen: Das Orchester unter der Leitung von Patrick Lange ist ebenfalls, im Vergleich zu den Gesangssolisten, viel zu leise (oder auch nicht gut ausgesteuert). Überhaupt wirkt die Tonanlage in St. Margarethen, als wäre sie nicht auf dem letzten Stand der technischen Möglichkeiten - da gibt es mittlerweile bei Open-Air-Festivals (und bei den meisten Popkonzerten) wesentlich Besseres.

So plätschert die mächtige Musik von Wagner, die so viel Dynamik, Differenzierung in den Übergängen, so viele instrumentale Details bräuchte, sanft vor sich hin wie der Wellengang an einem windstillen Sonnentag am Neusiedlersee, also nicht sehr mitreißend oder gar bedrohlich. Die Stürme, die es ein paar Kilometer am See ja auch gibt - unter dem Dirigat von Lange hört man sie nicht. Mehr burgenländische Wellness als Drama an Norwegens Küste.

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Auch die Inszenierung von Philipp M. Krenn ist eher lieblich, sanft-hügelig, pannonisch-gemütlich und vor allem distanziert: Dass sich fast alles weit hinten auf der Bühne abspielt, in Fischerhäusern, deren Front man aufklappen kann, ist deshalb keine gute Idee, weil die Protagonisten dadurch extrem weit weg vom Publikum sind. Die arme Senta muss allzu oft auf dem Dach ihres Hauses herumklettern und ist so hoch oben, dass man als Besucher Angst vor einer Nackenstarre bekommt. Rechts und links gibt es riesige Wellen, die (wahrscheinlich auch wegen der Temperaturen bei der Premiere) mehr an Eisberge denken lassen. Warum manche wie Jesus übers Wasser gehen können, als gäbe es dieses nicht, erklärt sich nicht.

Das Lustigste ist jedenfalls das Geisterschiff des Holländer: Es erinnert an die Black Pearl aus dem "Fluch der Karibik", der Holländer sitzt bei seinem ersten Auftritt vorne am Masten in einem Octopus, immerhin singt er besser Oper als Johnny Depp. Nur alle sieben Jahre darf der Holländer bei seiner verfluchten Irrfahrt an Land gehen, um dort darauf zu hoffen, von einer ihm bis ans Ende treuen Frau erlöst zu werden (die verzweifelte Liebessuche erinnert auch irgendwie an Depp), hier macht er das auf einem Anker stehend, was monty-pythonesk aussieht.

Einige Lichteffekte und Stunts sind gelungen, es wird viel live gefilmt (in Opernhäusern leider eine Unart, an dieser Stelle sinnvoll, weil man mehr sieht) und auf die Wand des Steinbruchs übertragen. Es gibt nach dem zweiten Akt eine Pause, was bei Wagner völlig unüblich ist und vielen Besuchern die Möglichkeit gab, vorzeitig abzureisen (was wohl der Kälte geschuldet war). Dabei war der letzte Teil szenisch definitiv der Beste an dieser traditionellen, braven Inszenierung mit klischeehaften Kostümen.

In den meisten Jahren ist die Bühne in St. Margarethen zu groß für eine stringente Opernaufführung. Diesmal ist das Werk zu groß für die Bühne.

 

 

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