Schostakowitsch, Lenin, Stalin: William Kentridges Psychothriller im Konzerthaus

Porträt des Künstlers William Kentridge anlässlich einer Ausstellungsvorschau.
"Oh to Believe in Another World“ dreht sich um die zehnte Symphonie von Dmitri Schostakowitsch.

Kann man die zehnte Symphonie von Dmitri Schostakowitsch in Bilder übersetzen, ohne von der Musik abzulenken oder gar bloß illustrierend zu wirken? Ja, das geht. Denn mit „Oh to Believe in Another World“ hat Universalkünstler William Kentridge gemeinsam mit dem exzellenten Luzerner Sinfonieorchester und dem kundigen Dirigenten Michael Sanderling – die Uraufführung fand 2022 in Luzern statt – ein faszinierendes Gesamtkunstwerk geschaffen, das unter die Haut geht.

Die Zehnte von Schostakowitsch also, jene Symphonie, die nach dem Tod von Diktator Josef Stalin 1953 erschien. Eine musikalische Abrechnung mit dem Terror des Stalinismus und zugleich ein sehr persönliches Bekenntnis des Komponisten. Im verdunkelten Konzerthaus fanden Orchester und Film zu einer unglaublich intensiven Einheit, als gebe es nichts dazwischen. „Wir werden die Menschen mit eiserner Faust ins Glück schlagen“, heißt es da einmal. Zitat: Stalin.

Zitate und Poesie

Denn Kentridge arbeitet viel mit Originalzitaten, auch mit jenen des Dichters Wladimir Majakowski, der 1930 Selbstmord beging. In einem fiktiven Schostakowitsch-Museum ist die Handlung angesetzt; Pappe und Puppen scheinen die Szenerie zu bestimmen. Doch auch echte Schauspieler legen mitunter im Film ihre Masken ab. Eine geniale Vermischung aus Animation und Realität ist – nebst historischer Aufnahmen aus der Sowjetunion – die Folge.

Und sie treten alle auf: Lenin, Trotzki, Stalin, Majakowski, dessen Geliebte Lilja Brik und Elmira Nasirowa – jene Frau, die Dmitri Schostakowitschs Liebe nie erwidert hat, in der Symphonie aber so wie alle anderen Genannten motivisch sehr präsent ist.

Und natürlich Schostakowitsch selbst, der etwa an einem Dirigentenpult steht und eine kleine rote Fahne schwenkt. Denn es gibt im Film auch noch das Spiel mit dem Theater auf dem Theater; animierter Swimmingpool inklusive.

All das ergibt eine faszinierende Collage, einen Psychothriller über Schostakowitsch und die UdSSR. Albtraumhaft und verführerisch zugleich.

 

Kommentare