Österreichisches Filmmuseum mit Italien-Schwerpunkt
Das neue Jahr beginnt italienisch - zumindest im Filmmuseum. Gezeigt werden ab 12. Jänner unter anderem Filme des italienischen Regisseurs und Schriftstellers Pier Paolo Pasolini, der am 5. März vergangenen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre. Das Österreichische Filmmuseum widmet ihm nun mit ein bisschen Verspätung eine beachtliche Retrospektive - bis 1. März wird sein Werk mit einer Gesamtschau gehuldigt.
Pasolini, Sohn eines Offiziers und einer Bauerntochter, zog im Alter von 28 Jahren als Lehrer nach Rom. In seiner Heimatregion Friaul verfasste er noch Bauerngedichte, in Rom lebte er dann in Elendsvierteln. "Ragazzi di vita" heißt eines seiner Prosawerke über die Welt des Lumpenproletariats. "Accattone" (1961) über die aggressiven Jugendlichen in den Barackenvierteln von Rom war sein erster großer Filmerfolg. 1962 folgte "Mamma Roma" mit Anna Magnani. "Accattone" zeigt das Filmmuseum zum Auftakt am 12. Jänner - ab 18 Uhr. "Mamma Roma" folgt dann am 13. Jänner (20.30).
Gespalten
Pier Paolo Pasolini war, wenn man so will, eine gespaltene Persönlichkeit. Er war Marxist und Christ und Atheist gleichzeitig. Die Spaltung betraf aber nicht nur seinen Glauben: Introvertiertheit und Zwiespältigkeit, sprachlicher Experimentalismus und Verteidigung der Dialekte, Antiklerikalismus und Feindseligkeit gegenüber dem Feminismus - das alles verkörperte Pasolini. "Er war ein Revolutionär, aber kritisch gegenüber der 68er-Bewegung; er geißelte die italienische Industriebourgeoisie, während er gleichzeitig in deren großen Zeitungen schrieb. Er war jemand, der sich nach der bäuerlichen Welt sehnte, sich aber in den Fernsehstudios wohlfühlte", sagt der Psychoanalytiker Massimo Recalcati über Pasolini in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit".
Der schwule und politisch polarisierende Poet, Autor und Regisseur sei zeitlebens von den italienischen Behörden verfolgt worden. Der Schauspieler Ninetto Davoli, der in neun Filmen für Pasolini vor der Kamera stand, schilderte ihn als einfachen, liebenswerten Menschen. "Er hat Liebe und Hass hervorgerufen mit den Sachen, die er vom Stapel gelassen hat. Aber er ist wie ein Maultier mit Scheuklappen auf seinem Weg geblieben."
Am 2. November 1975 wurde die Leiche des damals 53-jährigen Pasolini auf einem Fußballplatz in Ostia bei Rom gefunden - erschlagen und verstümmelt, angeblich von einem Strichjungen. Die Hintergründe des Mordes sind bis heute noch teilweise ungeklärt.
"Achtung! Banditi!"
Pasolinis Filmschaffen wird dann Werken von zwei anderen italienischen Filmemachern gegegenübergestellt. Einer davon ist Mauro Bolognini (1922–2001). Bolognini arbeitete von 1957 bis 1960 konsequent mit Pasolini als Drehbuchautor zusammen, anschließend ebnete er den Weg zur Produktion von "Accatone". Selbst reüssierte Bolognini als einer der großen gesellschaftskritischen Regisseure Italiens von den 1950ern bis in die 1980er bei Filmfestivals wie Cannes oder Locarno. Bolognini feierte internationale Erfolge durch Produktionen mit Weltstars wie Marcello Mastroianni (die von Pasolini mitverfasste Tragikomödie "Il bell'Antonio", 1960; das Psychiatrie-Drama "Per le antiche scale", 1975), Claudia Cardinale und Jean-Paul Belmondo ("La viaccia", 1961), Ingrid Thulin (die Moravia-Verfilmung "Agostino", 1962) oder Anthony Quinn und Dominique Sanda ("L'eredita Ferramonti", 1976). Doch inzwischen ist er zu Unrecht vernachlässigt. Möglicherweise weil sein kultiviertes, klassenbewusstes Kino vom ähnlich ausgerichteten, aber wesentlich gefälligeren Werk Bernardo Bertoluccis überschattet worden ist.
Carlo Lizzani (1922–2013) ist der Dritte im Bunde. Er gilt als eine Schlüsselfigur für die Erneuerung des italienischen Kinos. Als Regisseur debütierte er mit historischen Schilderungen des Kampfes gegen den Faschismus im neorealistischen Stil: "Achtung! Banditi!" (1951) handelt von kommunistischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg (in einer Nebenrolle: der künftige Kinostar Gina Lollobrigida). "Cronache di poveri amanti" (1954, hier mit Mastroianni auf dem Weg zum Weltruhm) erzählt vom Antifaschismus im Arbeitermilieu von Florenz der 1920er, die Regierung reagierte auf den Film mit Repressalien. Direkt davor lieferte Lizzani einen Beitrag zum exzellenten Episodenfilm "L'amore in città", in dem die Aufspaltung des neorealistischen Erbes in Autorenfilm und Populärkino abzulesen war.
INFO: Pier Paolo Pasolini / Mauro Bolognini / Carlo Lizzani - bis 1. März im Österreichischen Filmmuseum. Welche Filme wann zu sehen sind, lesen Sie hier.
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