Nur ein bisschen zündeln: "Biedermann" im Volkstheater

Nur ein bisschen zündeln: "Biedermann" im Volkstheater
Biedermanns Albträume: Max Frisch im Volkstheater.

Im Volkstheater spielt tatsächlich ein Schauspieler namens Gábor Biedermann einen Brandstifter (übrigens sehr gut). Sie verzeihen diese wohlfeile Pointe, aber sie ist der Aufführung angemessen.

Die Vorstellung beginnt vor dem Theater: Autowracks und zerstörte Betten liegen da neben müde brennenden Fässern, vom Balkon züngeln Flammen. Das Volkstheater will offenbar zündeln, es sieht ein bisschen aus wie Rammstein für Arme.

Nur ein bisschen zündeln: "Biedermann" im Volkstheater

Regisseur Viktor Bodó hat Max Frischs modernen Klassiker „Biedermann und die Brandstifter“ neu inszeniert. Im Programmheft werden ausdrücklich Assoziationen zur aktuellen politischen Lage hergestellt. Die 100-minütige Vorstellung tut dann aber alles, um solche Assoziationen weit von sich zu blödeln.

Funny Games

Es beginnt wie etwas, das eine sehr gute Inszenierung werden könnte: Biedermann (wieder einmal stark: Günter Franzmeier) sitzt in seiner Thomas-Bernhard-artigen Wohnung (Bühne: Juli Balázs) herum, reiht Zeitungsausschnitte über Brandstiftungen auf und fürchtet sich nach Herzenslust. In diese Angstidylle dringt der erste Brandstifter ein (großartig gefährlich: Thomas Frank als Ringer Schmitz), gefolgt von seinen Spießgesellen Eisenring (Gábor Biedermann) und „Dr. phil“ (stark: Jan Thümer).

Nur ein bisschen zündeln: "Biedermann" im Volkstheater

Und für kurze Zeit entwickelt sich eine bedrohliche Atmosphäre von sich gemütlich gebender, in Wahrheit brutaler Geiselnahme, die an „Funny Games“ von Michael Haneke erinnert.

Warum der Regisseur diese einmal etablierte Stimmung gleich wieder verwirft und die eigene Inszenierung unter schrägen Blödeleien und Ideen begräbt, bleibt sein Geheimnis. Man hat das Gefühl, die Vorstellung habe vor Beginn etwas Kräftiges zu sich genommen und kippe jetzt mit jeder Minute mehr in einen absurden, wenn auch sehr komischen Trip. Natürlich ist es witzig, wenn aus Kaffeetrinken so etwas wie ein Sexakt wird oder die Schauspieler innerhalb weniger Minuten unzählige Ballsportarten durchexerzieren.

Und ja: Auch die Parodie auf einen eitlen Theaterkritiker ist sehr schön.

Klamauk

Natürlich nützen die Darsteller die Möglichkeit zu starkem Klamauk. Und ja, natürlich kapiert man: Hier geht’s um die Albträume der Spießer. Aber die Geschichte um den mangelnden Mut zum Widerstand, der den Feigen schließlich selbst zum Opfer macht, geht verloren.

Was diesen merkwürdigen Abend dennoch sehenswert macht, sind die darstellerischen Leistungen. Neben den erwähnten Schauspielern sind auch Steffi Krautz (als Biedermanns Frau), Claudia Sabitzer (als spektakulär zu Tode kommende Witwe Knechtling) und Stefan Suske/Nils Hohenhövel als Feuerwehrleute sehr gut.

Aus dem Ensemble ragt Evi Kehrstephan heraus – ihr Dienstmädchen Anna ist die rätselhafteste, interessanteste Figur des Abends.

Freundlicher Applaus.

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