Neujahrskonzert mit Andris Nelsons: Ein toller Trompeter und Einklatscher

Viele Jubiläen und ein Debütant – erstmals hat der lettische Dirigent Andris Nelsons das traditionelle Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im prachtvoll geschmückten Goldenen Saal des Wiener Musikvereins geleitet. Und es war ein umjubeltes Debüt mit starken musikalischen Ansagen.
Zu feiern galt es immerhin den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven, das 150-jährige Bestehen des Musikvereins sowie das 100-jährige Jubiläum der Salzburger Festspiele. All dies spiegelte sich auch in der sehr klugen Programmauswahl wider. Im Vorfeld des Konzerts hatte Nelsons übrigens noch gemeint: „Am Ende weiß das Orchester besser als jeder Dirigent, wie das Neujahrskonzert aufgeführt werden soll.“
Ganz so war dem dann jedoch nicht. Denn der 41-jährige Maestro hatte durchaus eigene Vorstellungen, wie dieses „Konzert der Konzerte“ zu gestalten sein, nahm dabei aber dennoch immer Rücksicht auf die unfassbar schöne Klangkultur der Wiener Philharmoniker.
Aber der Reihe nach: Zu Beginn schien Nelsons doch noch etwas nervös, peitschte etwa die Ouvertüre zu Carl Michael Ziehrers Operette „Die Landstreicher“ ziemlich flott durch.
Auch bei Franz von Suppés Ouvertüre zu dessen Operette „Leichte Kavallerie“ ließ Nelsons nach der Pause musikalisch schwerere, sogar heftige Geschütze auffahren.
Eindrücke vom Neujahrskonzert
Sehr forsch
Denn Nelsons’ Zugang zu vielen Stücken (sehr passend bei der Polka „Knall und Fall“ von Eduard Strauß) war ziemlich forsch, von Dynamik, mitunter auch Dramatik („Liechtenstein-Marsch“ von Josef Strauß oder „Blumenfest-Polka“ von Johann Strauß Sohn) geprägt. Die Wiener spielten hier mit all ihrem enormen Können perfekt mit und ließen etwas Kraftmeierei zu.
Anders die Lage bei den Walzern. Hier verließ sich der Maestro tatsächlich auf die Ideen der Musikerinnen und Musiker, wählte oft extrem langsame, aber spannende Tempi, steuerte gezielt auf bestimmte Höhepunkte hin.
Beispiele dafür: Der Walzer „Liebesgrüße“ von Eduard Strauß, der den Salzburger Festspielen und Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler gewidmet war. Oder „Wo die Citronen blüh’n“ von Johann Strauß Sohn. Dass mit einer wohl dosiert realisierten Gavotte von Josef Hellmesberger jr. auch ein ehemaliger Konzertmeister des Orchesters gewürdigt wurde, darf als schöne Geste gelten.
Dazu kamen noch die Polka française „Cupido“ von Josef Strauß , und die Polka mazur „Eisblume“ von Eduard Strauß – feine Hörgenüsse.
Sehr fein
Zu Höhepunkten jedoch wurden der fast zu intensiv ausgekostete (aber das ist Geschmackssache) Walzer „Seid umschlungen, Millionen“ von Johann Strauß Sohn sowie dessen Walzer „Freuet euch des Lebens“ und die populäre, überaus schwungvoll, jedoch niemals plakativ musizierte „Tritsch Tratsch-Polka“.
Eine Auswahl aus den „12 Contretänzen“ aus der Feder Beethovens huldigte den Jubilar auf subtile Art und Weise. Mit dem melodisch überaus fein ziselierten Walzer „Dynamiden. Geheime Anziehungskräfte“ von Josef Strauß demonstrierten Nelsons und die Wiener Philharmoniker ihre künstlerische Verbundenheit deutlich.
Dass er auch Spaß versteht, zeigte Nelsons bei Hans Christian Lumbyes „Postillon-Galopp“, bei dem der Dirigent zur Trompete griff. Auf Jubel, Zugaben und „Donauwalzer“ folgte zuletzt der von den Philharmonikern neu arrangierte, aber unverkennbare „Radetzkymarsch“ – für Nelsons das Zeichen, sich als Einklatscher des Publikums zu betätigen. Mit großem Erfolg.
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