Neues von Kendrick Lamar: Unvollkommen, aber lebendig

Manchmal kommen die Juristen in den Rechtsabteilungen der Plattenfirmen mit dem Abklären der Urheberrechte nicht mehr nach. Bei gefühlten 70 Samples in einem Song ist das auch nicht weiter verwunderlich. Dieser Umstand führt mitunter dazu, dass der Künstler einige Nummern, die er auf seinem neuen Album veröffentlichen wollte, in den Ordner „Untitled“ schieben muss. So oder so ähnlich hat es sich dann wohl auch bei Kendrick Lamar zugetragen. Der erst kürzlich bei der Grammy-Gala ausgezeichnete US-Rapper musste nämlich bei der Produktion seines 2015 veröffentlichten Meisterwerks „To Pimp A Butterfly“ auf einige Lieder, oder Passagen daraus, verzichten, da die Rechte an den Samples nicht rechtzeitig geklärt werden konnten. Diese übrig gebliebenen Aufnahmen reicht der 28-Jährige nun nach. „Untitled Unmastered“ heißt sein neues, ohne großes Trara via Streamingdienste veröffentlichtes Album, das acht Song-Skizzen enthält. Was sich wie eine Resteverwertung anhört, ist eine Fortführung und Ergänzung seines bisherigen Schaffens.
Misstrauen
Der extravagante Flow in Lamars Sprechgesang entwickelt durch die nicht überladenen und gerne ins jazzige abdriftenden Rhythmen eine enorme Kraft, die für viele Afroamerikaner heilende Wirkung hat. Eine Gabe, die Kendrick Lamar den Beinmanen „Evangelisten der Black Power“ ( New York Times) einbrachte. Zu Recht. Denn kaum ein anderer Rapper seiner Generation versteht es zurzeit besser, den Gefühlszustand und das Anliegen junger Afroamerikaner auf den Punkt zu bringen.
Die Songs auf dem Mini-Album tragen kryptische Arbeitstitel: In „Untitled 04 - 08.14.204“ spricht Kendrick Lamar sein Misstrauen gegenüber religiösen Institutionen aus: „Hört her! Die Prediger in den Kirchen sagen nicht immer die Wahrheit“. Er fordert seine Landsleute dazu auf, kritischer zu sein und verstärkt den eigenen Verstand einzusetzen: "Head is the future".
Die Musik variiert dann zwischen mal lockeren, mal bleiernen Hip-Hop-Beats, sie macht Ausflüge in Richtung Funk, Gospel, Soul und Blues. Ein reizvolles und extrem kreatives Konstrukt, das zwar über weite Strecken unvollkommen, aber enorm lebendig klingt – und immer noch um Welten besser als der Output der Konkurrenz.
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