Neues Album von Dendemann: Manchmal reicht es, man selbst zu sein

Dendemann ist ein Sprachkünstler. Einer, der Worte gut und richtig einsetzen kann. Mit diesem Talent wurden andere Rapper nicht gesegnet. Einer davon ist Smudo von den Fantastischen Vier, der das auch neidlos anerkennt und seinem Kollegen in einem Interview Rosen streute: Es sei „saugut“, wie Dendemann mit der Sprache umgehe.
Beispiel gefällig: „Ich bin kein Rapper, nur ein Bluessänger auf Abwegen. Bin kein Rebell, nur ein Fußgänger auf Radwegen.“
Der in Menden im Sauerland geborene, in Hamburg groß gewordene und mittlerweile in Berlin-Kreuzberg lebende Musiker und Rapper liebt witzige Wortspiele, jongliert mit Doppeldeutigkeiten und hat damit die deutschsprachige Hip-Hop-Kultur entkrampft und in puncto Intellekt ein Level höher gehoben. Anstatt plumper Machosprüche lieferte plötzlich einer niveauvolle und szenekritische Texte ab.
Dendemann reimt dabei elegant wie kein Zweiter: Anfangs mit Eins Zwo, einem erfolgreichen Hip-Hop-Duo der späten 90er-Jahre, danach solo und von 2015 bis 2017 live in der Show bei Jan Böhmermann.
Am Freitag legte der 44-Jährige sein neues, drittes Soloalbum vor. Es heißt „Da nich für!“
KURIER: Seit Ihrem letzten Album „Vom Vintage verweht“ sind fast neun Jahre vergangen. Warum diese Auszeit? Und warum war es an der Zeit, sich wieder zu Wort zu melden?
Dendemann: Ich denke, die Antwort liegt irgendwo zwischen „Weil ich kann!“ und „Echt, fast neun Jahre ist das schon wieder her?“. Den Luxus, Musik nur dann zu veröffentlichen, wenn einem danach ist, habe ich mir immer bewahrt. Die ersten Aufnahmen zu diesem Album liegen schon etwas länger zurück, waren auch nicht schlecht, aber nach all der Zeit war es für mich wichtig, wieder etwas Eigenständiges und vor allem Relevantes abzuliefern.
Ihr neues Album heißt „Da nich für!“. Für was sind Sie „nich für“?
Also der Albumtitel bedeutet für den Norddeutschen ja erstmal „gerngeschehn“, und so ist er auch gemeint. Da ich aber auch oft „dagegen“ bin, passte er umso besser. Im Moment stört mich am meisten die Diskussion über unsere geliebte Meinungsfreiheit. Ich kann nicht begreifen, warum Leute glauben, dass dieses, inzwischen seltene Privileg nicht an Bedingungen und bei Missbrauch an Konsequenzen gebunden ist. Wer als öffentlicher Mensch seine Redefreiheit nur dazu benutzt, sie anderen abzusprechen, ist antidemokratisch. Welches Management, welche
Regierung kann sich solche Saboteure erlauben?!
Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der deutschsprachigen Hip-Hop-Szene? Gemessen an dem, was wir uns um die Jahrtausendwende erträumt haben, ist es das reinste Paradies an Vielfalt, auch wenn man natürlich nicht alles feiert. Die wichtigen technischen Entwicklungen sind seit zehn Jahren auf jedem PC im Kinderzimmer installiert, die Möglichkeit ein fertiges Produkt vom Sofa aus auf den Markt zu stellen, hat viele elektronische Musikrichtungen wie Hip-Hop aus alten Mustern befreit und auch die Koexistenz verschiedenster Stile gefördert. Deutscher Hip-Hop hat sich seine Selbstverständlichkeit erkämpft, das war die größte Hürde.
Ist Ihnen Hip-Hop aktuell zu unpolitisch, zu wenig gesellschaftskritisch, zu Dada?
Nein, im Gegenteil, ist gut gemischt. Und verglichen mit dem erfolgreichen „Sprechgesang“ Mitte der Neunziger sind die aktuellen Playlists, bei allem Gejaule, richtiger Hip-Hop.
Würden Sie das neue Album als Schnittstelle zwischen Old-School- und gerade angesagten Hip-Hop bezeichnen?
Ich habe nichts dagegen, wenn’s jemand tut. Aber mir wurde im Laufe der Produktion immer wichtiger, dass das Album keine Compilation aus vermeintlich alten und neuen Beats wird. Ich bin seit 25 Jahren Hip-Hop-Fan, und die Grenzen zwischen Old- und Newschool, Ost- und Westsound, all diese lästigen Schubladen sind für jemanden, der fast alle Loops des Genres miterlebt hat, angenehm verwischt. Trap-Beats sind von der Machart so Oldschool und Zeitgeist zugleich, das mussten wir einfach mal zu nutzen wissen.
Sie waren wesentlicher Bestandteil von „
Neo Magazin Royale“. Warum haben Sie aufgehört?
In Wirklichkeit haben Jan Böhmermann und ich mein geplantes Engagement zweimal verlängert, weil es so großen Spaß gemacht hat. Nach zwei Jahren wollte ich meine Energie und mein Schreib-Training aus der Sendung aber gerne zur Gänze in eine neue Platte stecken. Thematisch und handwerklich hat der Job meinen Texten sehr gutgetan.
Ich „dende“, also bin ich. Für was steht „denden“?
Es ist Fazit und Mantra der ewigen Sinnsuche. Manchmal reicht es tatsächlich, man selbst zu sein.
Tipp: Dendemann spielt am 21. 2. im Gasometer Wien und am 22. 2. im Linzer Posthof.
Die Album-Kritik: "Da nich für!" von Dendemann
Mit popkulturellen Referenzen, auf Sample-Loops basierenden Beats und verspielten, klugen und humorvollen Texten gelingt Dendemann ein herrlich erfrischendes Album zwischen Oldschool-Hip-Hop und zeitgeistiger Rap-Trap-Musik. Anstatt über dicke Hosen, SUVs und geile Partynächte zu rappen, spricht er in seinen zwölf neuen Songs die zunehmende Selbstoptimierung in neoliberalen Zeiten, Rechtspopulismus, die Ellbogengesellschaft und Politikblindheit der Berliner Party-Szene kritisch an. Den Zeigefinger lässt er dabei aber unten. Gut so. Herzeigbar ist auch die Gästeliste auf „Da nich für!“: Mit Casper, Trettmann und Jan Delay sind namhafte Kollegen vertreten. Aus der Konserve melden sich Hildegard Knef, Rio Reiser und Mieze Katz von Mia zu Wort. Das Ergebnis klingt modern, fresh, zeitlos schön und genau auf den Punkt, also „al dende“ produziert.

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