Fast 2:45 Stunden dauert der Vorabend bei ihm, er reizt die Tempi extrem aus, man soll ja nicht so schnell fahren in der Energiekrise, manches erinnert bezüglich der Langsamkeit tatsächlich an Furtwängler.
Thielemann sorgt damit aber für atemberaubende Momente, die Klangkultur in dem akustisch guten Theater ist enorm, manches gerät recht wuchtig (aber nicht minder schön), vor Pathos hat er bekanntermaßen keine Angst. Insgesamt muss man zugeben: So oder so ähnlich will man den "Ring" hören, Bayreuth war um Welten davon entfernt.
Was die Regie betrifft, dürfte es im Verlauf dieser "Ring"-Produktion durchaus noch Debatten geben. Dmitri Tcherniakov ist der Regisseur, man kann im Moment bestenfalls erahnen, worum es ihm geht. Jedenfalls hat es mit Tier- und Menschenversuchen zu tun, man sieht echte Hasen in Käfigen, etwa bei der Fahrt mit dem Lift hinunter nach Nibelheim. Die Rheinszene zu Beginn spielt sich nur im Kopf von Alberich ab, der an Virtual Reality angeschlossen ist. Und was Wotan genau ist oder wird, weiß man nicht. Jedenfalls dürfte es auch um Diktaturen, um Unterdrückung, um Zentralkomitees, Parteifreunde und mafiose Gestalten gehen.
Sängerisch ist Michael Volle ein kraftvoller Wotan, Claudia Mahnke eine ausdrucksstarke Fricka, Anett Fritsch eine gute Freia, Anna Kissjudit eine erstklassige Erda, Johannes Martin Kränzle ein fabelhafter Alberich, Stephan Rügamer ein tadelloser Mime. Auch die Riesen - Mika Kares als Fasolt und Peter Rose als Fafner - sind gut besetzt, ebenso die Rheintöchter (Evelin Novak, Natalia Skrycka, Anna Lapkovskaja). Siyabonga Maqungo (Froh) hat er sehr schönes Timbre, Lauri Vasar (Donner) fällt vergleichsweise ab.
Im Zentrum des Interesses stand jedoch Rolando Villazon als Loge: Er macht aus dieser Rolle eine Clown-Nummer, mit Outrage und wilder Mimik. Er trägt einen senffarbenen Schnürlsamt-Anzug und Koteletten wie in den 1970er Jahren, dazu eine Brille wie einst Kommissar Derek. Stimmlich müht er sich durch die gesanglich eigentlich recht leichte Partie wie sonst bestenfalls ein Wotan durch die seine, in der Höhe und in den tieferen Lagen ist seine Stimme brüchig.
Er erntete auch einige Buhs, der Rest wurde gefeiert.
Erster Eindruck also: Ein exzellent dirigierter, großteils gut besetzter und szenisch noch rätselhafter "Ring".
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