Die jungen Menschen verlieben sich ineinander, am Ende stellt sich aber heraus, dass sie Bruder und Schwester sind – und zwar die Kinder des verstorbenen Bruders von Sultan Saladin. Und damit löst Lessing die tödlichen Gegensätze zwischen den Religionen in Wohlgefallen auf.
Im Zentrum der Handlung steht die berühmte Ringparabel: Es gibt drei identische Ringe, einer davon besitzt die Gabe, seinen Träger „angenehm zu machen vor Gott und den Menschen“. Welcher Ring der Echte ist, lässt sich nicht herausfinden – jeder Ringträger soll so handeln, als wäre sein Ring der richtige. Gemeint ist damit die Gleichwertigkeit von Christentum, Judentum und Islam.
Nathan sieht sich in dem Stück krassem Antisemitismus ausgesetzt, plädiert aber dennoch für Toleranz und Verständnis. All das böte spannenden Stoff zuhauf für eine packende, moderne, psychologisch dichte Inszenierung, die Lessings Toleranzideen auf ihren heutigen Wert abklopft.
All das hat Regisseur Ulrich Rasche jedoch nicht interessiert. Stattdessen bietet er einen dreieinhalb Stunden langen (exklusive Pause) Wandertag auf einer unablässig rotierenden Drehbühne, die tatsächlich aus drei Ringen (Ringparabel!) besteht. Die rein körperliche Folge: Nach wenigen Minuten befällt einem beim Zuschauen starker Schwindel.
Der Schwindel
Die Darsteller und Darstellerinnen gehen auf dieser Bühne ständig im Kreis, Körper und Arme sind ebenso starr wie die Mimik. Gesprochen wird abgehackt, monoton und in Zeitlupe. Dazu dröhnt unablässig ebenso monotone Livemusik (Nico van Wersch).
So etwas wie Interaktion oder Schauspiel gibt es (fast) nicht, geboten wird ein sich immer im Kreis drehendes Wort-Karussell.
Das ermüdet Auge, Ohr und Gehirn ganz ungemein – tatsächlich hat ihr Rezensent noch nie so quälende Stunden in einem Theater verbracht.
Die Leistung der Darsteller zu bewerten ist in diesem Konzept fast unmöglich. Die wunderbare Valery Tscheplanowa könnte ein hinreißender Nathan sein (die Ringparabel gelingt ihr gut), Julia Windischbauer ist als Recha ein wenig blass, Mehmet Ateşçi ist ein wackerer Tempelherr, Nicola Mastroberardino als Saladin ein naiver Gutmensch.
Beeindruckend ist das Lichtkonzept (Alon Cohen), das ganze Räume aus Licht entwirft.
Ein Teil des Publikums floh zur Pause, ein anderer gleich nach dem Ende. Die anderen spendeten der Inszenierung den ganz großen Jubel. Aber möglicherweise haben die Zuschauer auch sich selbst applaudiert – diese Vorstellung bei vollem Bewusstsein überstanden zu haben, ist auch eine Leistung.
Kommentare