Naschmarkt: Dich, teure Halle, grüß ich . . .

Ein Schreibtisch mit Aktenordnern, einem Stempel, einer Kaffeetasse und abgelehnten Dokumenten, über dem ein Paragraphenzeichen an einem Spinnenfaden hängt.
Was ist architektonisch von der neuen Halle zu halten? Und hätte es diesen Neubau wirklich gebraucht?

Sehr geehrtes Kulturamt!

Ich nehme an, dass Sie auch für Architektur zuständig sind, obwohl man in diesem Land den Eindruck gewinnen könnte, dass niemand dafür zuständig ist – so hässlich, wie oft gebaut wird. Der Anlass für mein Schreiben ist die Eröffnung der neuen Naschmarkthalle. Ich bin empört über die Optik und beantrage bei Ihnen die Verleihung eines Sonderpreise für misslungene Architektur. Ich würde der Ehrung beiwohnen und lauthals Buh rufen!

Mit ästhetischen Grüßen, O. W.

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Hochverehrter O. W.,

seien Sie bedankt für Ihr Schreiben, dessen Einlangen wir bestätigen (Geschäftszahl 27/2025). Wir können Ihrem Ansuchen jedoch nicht Folge leisten, weil wir der Überzeugung sind, dass es Hässlicheres gibt, was zuletzt in Wien baulich realisiert wurde. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Markthalle für gelungen erachten. Die kritischen Geister unseres Amtes beurteilen sie als unentschlossen und belanglos wie so vieles, was im öffentlichen Raum entsteht.

Dieser Bau wurde offenkundig primär mit dem Fokus auf ein Kriterium konzipiert: nur nicht aufzufallen. Was auffällt und möglicherweise sogar irritiert, gilt in Wien seit jeher als bedenklich und gefährlich. Jeder Passant ist auch ein potenzieller Wähler, das darf man nie vergessen in der Stadt der Kompromisse. Aufregung gab es im Vorfeld schon zuhauf, also muss sich die Architektur nun verleugnen und für Beruhigung sorgen. Die Farbe Grün passt sich den Pavillons der Umgebung an, das Glas spiegelt die Häuser der Umgebung, leider ist der Blick auf diese stark beeinträchtigt. Am übelsten sind das Dach und die Terrasse, die Sichtachsen zerstört.

Von einem Statement der Moderne kann keine Rede sein, ein Fremdkörper an diesem historischen Ort ist die Halle aber trotz des intendierten Kuschelkurses. Man sollte sich lieber nicht vor Augen führen, wie andere Städte solche zentralen Plätze nützen. Auch vor einem Gesamtkonzept für den Naschmarkt hat man sich gedrückt und ist wohl vor den Souvenir-Händlern eingeknickt. Was jetzt in der Halle angeboten wird, hätte auf den alten Naschmarkt gehört. Aber man verwirklicht sich lieber mit einer neuen, teuren Ulli-Sima-Gedächtnis-Bude, anstatt bestehende Probleme zu lösen.

Visuell verheerend sind die runden Bänke am Vorplatz, sie leuchten in der Nacht wie UFOs. Aber mit Licht können in Österreich die wenigsten Orte umgehen. Wir prophezeien jedenfalls zeitnah Aussendungen, die belegen sollen, wie erfolgreich die Naschmarkt-Umgestaltung war. Eigen-PR liegt mehr im Wiener Blut als der Umgang mit Architektur.

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