Nachtkritik: Horvath und der lange Atem

In "Ein Kind unserer Zeit" erzählt Ödön von Horvath die Geschichte eines jungen Mannes, der in einem Führerstaat lebt, beim Militär Heimat findet und schließlich körperlich wie seelisch versehrt aus dem Krieg heimkehrt. Auf der Suche nach "Gerechtigkeit" steigert sich sein Hass, er beginnt an der herrschenden Ideologie zu zweifeln, wird zum Mörder und kommt ums Leben.
Das ist ein Stoff, wie geschaffen fürs Theater. Doch leider (aus der Sicht der Theatermacher) hat der große Dramatiker Horvath kein Stück daraus gemacht, sondern einen Roman.
Solche Kleinigkeiten sind heute aber kein Hindernis mehr: Wir leben im Zeitalter der "Dramatisierungen", kein Roman und kein Film ist mehr sicher dávor, auf die Bühne genötigt zu werden. Interessanterweise hat die großartige Regisseurin Stephanie Mohr - die dem Dramatisierungs-Trend durchaus kritisch gegenüber steht - Horvaths Stoff für die Bühne eingerichtet.
Sie lässt den Ich-Erzähler und alle anderen Figuren von vier hervorragenden Darstellerinnen spielen: Therese Affolter, Katharina Klar, Susa Meyer und Martina Stilp. Sie geben alles, um die Geschichte lebendig zu erzählen. Das ergibt viele interessante Szenen, vor allem innere Dialoge. Dennoch bleibt der Abend langatmig und merkwürdig leblos, wie ein viel zu langes Hörspiel.
Vom Premierenpublikum hab es höflichen Applaus.
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