Zwei Herzen, eine Seele: Ein Nachruf auf Alice und Ellen Kessler

Alice und Ellen Kessler
Die Zwillinge prägten tanzend und singend die Unterhaltungsindustrie. Nun starben die Schwestern im Alter von 89 Jahren bei München – gemeinsam.

Es war ein Leben im Gleichschritt: Als Kessler-Zwillinge zeigten Alice und Ellen Kessler ab den 1950er-Jahren, wie eine internationale Showkarriere von Deutschland aus möglich war.

Teils im Verbund mit anderen Stars der Ära – Peter Kraus war um 1960 oft ihr Partner auf Schallplattenaufnahmen – transformierten sie die Impulse aus der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie in ein Format, das im deutschsprachigen Raum funktionierte und begeisterte.

Die Kessler-Zwillinge agierten mit hoher Präzision, handwerklicher Finesse – und einer großen Portion Charisma. Immer wieder wurden die beiden als die „schönsten Frauen der Welt“ tituliert, ihr Ruf drang über Deutschland weit hinaus und bescherte ihnen u. a. Auftritte an der Seite von Perry Como, Dean Martin, Sammy Davis Jr. oder Frank Sinatra. Nach dem Tod von Caterina Valente im September 2024 ist nun eine weitere Verbindung zu einer goldenen Ära des Showgeschäfts für immer gekappt.

Parallelaktion

Am Montag wurde bekannt, dass Alice und Ellen Kessler in ihrem Haus nahe München tot aufgefunden wurden. Sie waren 89 Jahre alt. Ein Sprecher der Münchner Polizei bestätigte einen Polizeieinsatz in Grünwald bei München, ohne nähere Details zu nennen. Hinweise auf ein Fremdverschulden gab es demnach nicht. Wie Bild.de ohne genaue Quellenangaben kolportierte, seien die Schwestern durch „begleitete Sterbehilfe“ aus dem Leben geschieden.

Tatsächlich hatten Alice und Ellen Kesslers die Idee, die Welt nach einem gemeinsamen Leben auch als Doppelgespann zu verlassen, öfters kundgetan. „Wir sind Zwillingsschwestern und stehen uns sehr nahe“, sagten sie im Jahr 2012, als sie in Italien Interviews gaben, die wiederum von der Deutschen Presse Agentur zusammengefasst wurden. 

„Es wäre für uns unmöglich, die andere leiden sehen. Jede von uns wäre wenn notwendig bereit, der anderen eine Pille, oder etwas Ähnliches zu geben, um ihrem Leiden ein Ende zu setzen. Danach würde die andere selbst Schluss machen.“ 2024 erklärten sie der Bild-Zeitung auch, dass sie gerne „in ein und derselben Urne“ beigesetzt werden wollten.

Wie auch immer nun die Beisetzung verlaufen wird: Die familiäre Verbindung hielt Alice und Ellen Kessler mit einer außergewöhnlichen Kraft zusammen.

Die eineiigen Zwillinge kamen am 20. August 1936 im sächsischen Nerchau zur Welt. Noch vor dem Mauerbau verließ ihre Familie die DDR in Richtung Westen, wo die im Ballett ausgebildeten Zwillinge 1952 am Düsseldorfer Revuetheater Palladium engagiert wurden. Mit gerade 18 Jahren bekamen sie ein Engagement am weltberühmten Lido in Paris: Der Start in eine internationale Karriere.

Viel Bein

In den Nachkriegsjahren gehörten die Kesslers zu den ersten, die in seriösen Shows viel Bein zeigten. Als ihr Vertrag in Paris 1960 endete, ging das „doppelte deutsche Fräuleinwunder“ auf Welttournee. Die Kesslers tanzten in New York, Monte Carlo, Buenos Aires oder Sydney, waren in internationalen Fernsehshows zu Gast und traten in Kinofilmen auf – in Schmonzetten wie „Vier Mädels aus der Wachau“ (1957), aber auch in Sandalenfilmen wie „Sodom und Gomorrha“ (1962).

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Nostalgie

Alice und Ellen Kessler gastierten in TV-Serien (u. a. im „Schloss am Wörthersee“), aber auch auf Theaterbühne – etwa 2015 im Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“. Spätgeborene kannten sie aber wohl am ehesten aus TV-Shows, in denen die Eltern- und Großelterngeneration nostalgisch wurde, wenn sie auftraten. „Wir hatten ein sehr abwechslungsreiches Leben, das Schicksal hat es gut mit uns gemeint“, sagten sie einmal der dpa. „Wir leben aber nicht in der Vergangenheit.“

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