Überwältigend: Mozartprojekt "Zaide" bei den Salzburger Festspielen

Im Programm wird diese Neuproduktion „Zaide oder der Weg des Lichts“, ein Pasticcio mit Musik von Mozart, „halbszenisch“ genannt. Auf der Bühne der Felsenreitschule aber ist eines der stärksten Erlebnisse der vergangenen Jahrzehnte, nicht nur was die Salzburger Festspiele anlangt, zu sehen.
Das mag auf einen ersten Blick übertrieben klingen. Im Gegenteil.
Denn hier werden in 100 Minuten die Gräuel der Menschheitsgeschichte der vergangenen Jahrhunderte und der Gegenwart überwältigend mit wenigen Mitteln und mit fulminant musizierter Musik abgebildet. Wie? Mit Präzision und Tiefsinn kombiniert der französische Dirigent Raphaël Pichon das Fragment „Zaide“ mit Versatzstücken aus der Kantate „Davide penitente“ und anderen Stücken von Mozart.
Gemeinsam mit dem libanesisch-kanadischen Dramatiker ersann er dafür die Geschichte. Eine junge Frau namens Persada sucht in einem ehemaligen Gefängnis nach ihrer Mutter. Sie trifft auf einen betagten Mann, der den Boden wischt. Er stellt sich ihr als Allazim, der Museumswärter vor. Als er erkennt, wer sie ist, offenbart er ihr die Geschichte ihrer Eltern. Zaide, die Frau, die singt, und Gomatz waren zwei von jenen politischen Gefangenen, die dort zu Tode gefoltert wurden. Dort brachte Zaide ihre Tochter auf die Welt. Er selbst war der Scherge des Tyrannen Soliman, der nur das Kind, also Persada, retten konnte. Diese Figur steht für die Schergen, die Mitläufer, die „zu Schweinen“, wie es im Text heißt, geworden sind, ohne die kein barbarisches Regime auskommt.

Durch Bertrand Coudercs einprägsame Lichtregie samt Personenführung wandelt sich die steinerne Kulisse in dieses Haus des Grauens. Mouawads Dialoge sind knapp und klug mit leisen philosophischen Anklängen. So etwa, wenn es am Ende heißt, „wir wissen nie, wen wir retten und von wem wir gerettet werden“. Pichon übertrifft sich am Pult seiner famosen Formation Pygmalion, aus Chor und Orchester, das auf historischen Instrumenten spielt, selbst. Besser, dramatischer, schärfer hört man Mozart heute nicht, denn er spricht Mozarts Sprache und lässt die ungeheure Dramatik dieser Musik spüren.
Das Adagio für Glasharmonika, KV 356, bildet eine Art Klammer. Präzise funktionieren die Übergänge. Der Klang ist perfekt zwischen dem links platzierten Orchester und dem rechts agierenden Ensemble und Chor austariert.

Gesungen und gespielt wird herausragend. Allen voran von Sabine Devieilhe. Sie erweist sich einmal mehr als eine der aufregendsten Sopranistinnen, wenn es um Mozart geht. Furios feuert sie dem Tyrannen Soliman ihre „Tiger“-Arie entgegen. Ihre Stimme klingt in allen Lagen betörend schön. Das „Ruhe sanft“ singt sie ihrem ungeborenen Kind mit unfassbarer Zärtlichkeit vor.
Atemberaubend harmoniert ihr Sopran mit dem samtigen Mezzosopran von Lea Desandre, die als Persada fasziniert. Daniel Behle agiert als unnahbarer Todesbringer Soliman. Er drückt die Kälte seiner Figur auch in seiner Tenorstimme aus. Julian Prégardien ergänzt innig als Gomatz. Johannes Martin Kränzle changiert als Wärter zwischen Belehrung und Schuldbewusstsein. Er spricht auch die Texte eindringlich. Die Ovationen wollten zurecht nicht enden.
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