"Eine Nacht in Venedig" an der Volksoper: Strauss, Superhelden und tanzende Meeresfrüchte
Der Jubilar wird in der Volksoper erst nach der Pause gewürdigt und dann nur kurz, wenn Ulrike Steinsky im Superman-Kostüm den Dirigenten auffordert, das „Schwipslied“ anzustimmen. Mit diesem Ständchen wolle sie Johann Strauss zum 200. Geburtstag ehren. Dass der Dirigent Alexander Joel dabei den Unwissenden spielen muss, ist von so bescheidenem Unterhaltungswert wie vieles in dieser Neuproduktion von „Eine Nacht in Venedig“.
Dabei waren die Voraussetzungen interessant. Die Ankündigungen der Regisseurin Nina Spijkers im KURIER-Gespräch ließen aufhorchen. Sie sprach von „gesundem Eskapismus als sehr gute Reaktion auf die Weltlage“ und „zeitlosen Witzen, die auch noch in zehn Jahren funktionieren“.
Der Blick auf die schwarze Bühne (Studio Dennis Vanderbroeck) relativiert vieles.Feierlich wird eine Fassade aus weißem Papp-Karton hochgezogen. Der schwarz-weiße Hintergrund wirkt jedoch bedrückend auf das Geschehen. Da hilft es auch nichts, wenn beim Lied der Fischerin Annina wundersame Fische, Krebse und andere „Frutti di Mare“ in Menschengröße auftanzen oder im Karneval allerlei Gestalten aus Hollywoodfilmen wie Catwomen, Spiderman, Marylin Monroe, Hulk und viele andere die Bühne bevölkern. Das Zutaten-Ballett bei Pappacodas Lied auf seinen Sugo bringt auch nur etwas Farbe auf die schwarz-weiße Bühne, aber nicht mehr.
Spijkers detailverliebte Personenführung muss mit einer Textfassung auskommen, die Charme und Schmäh komplett ausspart. Frauen trotzen den Männern, beschränken sich aber am Ende auf die Position der starken Partnerin im Hintergrund. Die Pointen plätschern dahin. Etwas Neues bringen sie nicht.
Wenn der Diener Caramello zu seinem Herzog sagt, „Ich liebe meinen Kanzler, äh ich meine Herzog“ oder der rechte Senator proklamiert „Make Venezia Great Again!“, klingt das sehr bemüht. Da zündet nichts. Längen stellen sich ein. Im Original gibt der Herzog demjenigen einen Spitzenjob, der ihm seine Frau zur Verfügung stellt. Das ist bei Spijkers auch so, funktioniert aber nicht richtig mit ihrer Deutung der Figur. Denn bei ihr ist er ein verklemmter Typ, der sich im Fasching in sein Batman-Kostüm flieht und hilflos mit den Armen wedelt, wenn er einer Frau näherkommen soll.
Musikalisch bleiben Wünsche offen
Das Ringen der Regisseurin um Gleichstellung nähme man sogar gern in Kauf, wenn musikalisch weniger Wünsche offen blieben. Lucian Krasznec wirkt als Herzog vokal orientierungslos. David Kerber presst sich durch die Partie des Caramello. Fast verschämt hebt er das „Komm‘ in die Gondel“ an. Johanna Arrouas ist eine betörende Fischerin Annina. Mit ihrem kraftvollen Sopran übertönt sie alle. Jakob Semotan ist ein darstellerisch sehr präsenter Makkaronikoch Pappacoda, muss sich aber im Karneval als Supermario verkleiden und fügt sich statisch in die Comedy der Superhelden.
Ob man in den Delacquas die Macrons sehen will, soll jeder für sich entscheiden. Marco di Sapia zeigt einen karriereversessenen Mann, der auf seine reife Ehefrau (Ulrike Steinsky) eifersüchtig ist. Juliette Khalil ist eine quirlige Ciboletta.
Der vokale Lichtblick dieser Inszenierung ist der Chor. Alexander Joel ersetzt am Pult des versiert intonierenden Volksopernorchesters Feinsinn durch seine Lust auf Effekte. Bei der Ouvertüre trägt er sehr dick auf und ladet die schwelgerischen Passagen schwer auf. Feingefühl zeigt er in der Zusammenarbeit mit dem Ensemble.
Ein lauter Protest folgte sofort auf den letzten Takt, ein paar leise Buhrufe gingen im höflichen Applaus unter.
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