"Rigoletto“ als dunkles Psychodrama an der Grazer Oper

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Ein szenisch und musikalisch gelungener „Rigoletto“ von Verdi.

Gleich zu Beginn spaziert er als Jungvater mit Frau und Tochter im Kinderwagen über die Bühne. Plötzlich reißt sich seine Frau, die später immer wieder als Vision oder letztlich als Todesengel auftauchen wird, aus seiner Umarmung, verlässt ihn und lässt ihn verzweifelt zurück: Diesen einschneidenden Verlust sieht Regisseurin Ute M. Engelhardt als Grund für das spätere Verhalten des Titelhelden. 

Denn sie zeigt ihn in ihrer psychologisch tiefgründigen Inszenierung in Giuseppe Verdis „Rigoletto“ am Grazer Opernhaus als an Verlustängsten leidenden Vater, der deshalb seine Tochter wegsperrt, sich gegen das Schicksal stemmt und sich und seine Tochter in den Abgrund reißt.

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Im Dilemma als Teil der degenerierten Hofgesellschaft zu sein, wird er auch als egozentrischen Zyniker dargestellt. Und gemäß seinem Zitat: „Wir sind gleich. Ich habe die Zunge, er den Dolch" wird auch seine abgründige Seite demonstriert, indem die Regisseurin Sparafucile wie einen immer gleich gewandeten Zwillingsbruder, als eine Art Alter Ego zeigt. Insgesamt bringt sie den populären Opernklassiker nachvollziehbar auf eine oft dunkle Bühne von Stephanie Rauch mit einer großen Treppe mit Porträtbildern der aktuellen Frauen, einer niedrigen Plattform als Rigolettos Haus und mit grauen Mauern zum Finale.

Der ungemein präsente Nikoloz Lagvilava singt ihn mit imposantem, teils sehr wuchtigem Bariton, wobei man teils facettenreichere, leisere Zwischentöne vermisst. Mit geschmeidiger Belcanto-Kultur aber etwas engen Höhen und fehlender Strahlkraft erlebt man Pavel Petrov als Herzog, der mit leisen Tönen glänzt und mit einem Gefährt mit der Leuchtschrift “Ti amo“ bei seinen Frauen erscheint. Ekaterina Solunya ist eine sehr mädchenhafte, ja kindliche Gilda anfänglich auf einer Schaukel sitzend, mit sichersten Koloraturen. 

Wilfried Zelinka ist ein bösartiger, dunkler Mörder Sparafucile mit einem immer monströser werdenden Fettkostüm ausstaffiert. Seine Schwester Maddalena wird von Neira Muhic mit schönem Mezzo sehr verführerisch dargestellt. Von den vielen kleineren Rollen fällt noch Daeho Kim als Monterone auf. Tadellos nur mit kleinen Unsicherheiten vernimmt man den Herrenchor des Hauses als mit bunten Versatzstücken extrem schrill gekleideter Hofstaat, der extremen Orgien nicht abgeneigt ist.

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Der junge Dirigent Ulises Maino am Pult der Grazer Philharmoniker, die auch mit etlichen solistischen Einlagen glänzen, ist nicht nur auf kultivierten Wohlklang bedacht, sondern entfacht mit vielen dynamischen Abstufungen Spannung und Leidenschaft. Jubel! 

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