(Den Film sollte man sich bei jeder guten Gelegenheit anschauen, Clint Eastwood, Lee Van Cleef und vor allem Eli Wallach spielen fantastisch. Und man kann gut sehen, wo Quentin Tarantino seinen sarkastischen Brutalhumor herhat.)
Aber zurück aus dem Wilden Westen in den Wiener Prater. Die von fünf Riesenbildschirmen dominierte Bühne macht „Bumm“ und „Heul“ und „Zackzackzack“, dazu gibt es die typischen Kopf-Visuals vom Cover des bisher letzten Albums „Hardwired … To Self-Destruct“ (das ist übrigens auch schon drei Jahre alt). Die Songs dieses Albums gehören definitiv nicht zu ihren dringlichsten, „Hardwired“ zum Auftakt, rüde runtergeklopft, macht dennoch mächtig Stimmung. Der Sound ist zu Beginn ziemlich nebelverhangen, um nicht zu sagen: schauderhaft, klart aber dann auf.
Gleich beim zweiten Song, „The Memory Remains“ vom unterschätzten „Reload“-Album, bekommt das Publikum Gelegenheit zum Mitsingen und nutzt diese ausgiebig und kompetent. „The Four Horsemen“ aus der Frühzeit ist dann ein erster Höhepunkt – so muss Speed/Thrash/Sonstwas-Metal klingen. Weiters geht’s mit dem böse mahlenden „Harvester Of Sorrow“, danach kommt bei „Unforgiven“ beinahe vorweihnachtliche Stimmung auf, James Hetfield röhrt waidwund und männlich-herb.
Braunbärsushi
Wenn man Metallica heute betrachtet, hat man ein wenig den Eindruck, sie hätten sich verkleidet. Vermutlich kommen die alle in Slimfit-Anzügen im gehobenen Gernot-Blümel-Stil hinter der Bühne an und werden dann von eigenen Konstümassistenten mit maßgeschneiderten Heavy-Metal-Uniformen versorgt, die sie nach der Show sofort abwerfen, um den Rest des Abends und den folgenden Tag in dunklen Seiden-Bademänteln mit weinrotem Monogramm und Bandlogo zu verbringen.
Sänger und Bandvorstandschef James Hetfield sieht heute aus wie der CEO eines börsenorientierten Unternehmens, das mit Selbsterfahrungsreisen für Manager auf der Suche nach ihrer Männlichkeit Millionen scheffelt, in denen es darum geht, in der Ostukraine Braunbären mit eigenen Händen zu erwürgen und deren Leber am Lagerfeuer als Sushi zuzubereiten.
Lars Ulrich hingegen hat beim Schlagzeugspielen den Habitus eines Schulwarts einer NMS in einem Wiener Flächenbezirk, dem beim Reparieren des kaputten Abwasserrohrs beim Turnsaal die Zunge heraushängt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er nach dem Konzert französische Zeitschriften über Kunsttheorie liest und dabei Rotwein aus Tetrapack trinkt.
Bassist Robert Trujillo (ein brillanter Musiker!), jetzt auch schon seit 16 Jahren dabei, wirkt mit seinen Zöpfchen immer noch so, als hätte er sich in diese Band verirrt und sei in Wahrheit unterwegs in eine Verfilmung von Pippi Langstrumpf fürs Erwachsenen-Kino. Leider hat er sein Markenzeichen, den gebückten Krabben-Gang, aufgegeben – schade, das sah immer sehr lustig aus!
Zu Lead-Gitarrist Kirk Hammett hingegen waren die Jahre gut. Er, früher immer gefährlich nah an der Rolle des Band-Kasperls, sieht mit seinen grauen Locken, der Mattglanz-Jacke und seinen Designer-Gitarren aus wie ein legendär cooler Instagram-Influencer für die Generation „Wind Of Change“.
Keine Kinderjause
Im Folgenden mischen Metallica sehr geschickt die stärkeren Nummern aus dem jüngsten Album („Moth Into Flame“, „Here Comes Revenge“) mit alten und mittelalten Hadern. Es gibt mit „Frantic“ sogar ein Stück aus ihrem unbeliebtesten Album, dem an seiner eigenen Wut sehr formschön erstickenden „St. Anger“ – live funktioniert der vor Zorn zitternde Song ausgezeichnet.
Am besten gelingt die Strecke zum Schluss: „Master Of Puppets“, „For Whom The Bell Tolls“, „Creeping Death“ und „Seek And Destroy“, wir sind hier schließlich bei Metallica, nicht auf einem Kindergeburtstag. Wie fast immer ist der Höhepunkt des Konzerts aber ihr Meisterwerk „One“, diesen zu Heavy Metal gewordenen Antikriegs-Kurzfilm über einen verstümmelten, tauben, stummen und blinden Soldaten, der sterben möchte, aber nicht darf.
Dazu gibt es Feuerwerke, Laserlicht und tolle Visuals.
Metallica wurden 1981 von Hetfield und Ulrich in Los Angeles gegründet und gingen rechtzeitig nach San Francisco, um Teil der explodierenden Thrash/Speed-Metal-Bewegung zu werden, also einer Szene, in der es darum ging, die bis dahin härteste, rüdeste und schnellste Musik noch ein wenig härter, rüder und schneller zu spielen. Im Unterschied zu Arbeitskollegen wie Slayer, Megadeth und Anthrax wurden Metallica aber nicht groß, sondern riesengroß. Sie gehören heute zusammen mit AC/DC, U2 und den Stones zu den größten noch aktiven Bands des Planeten.
Warum, das zeigt sich am Ende des Konzerts: Weil sie in all dem Wüten und Lärmen zuckersüße, verführerische Melodien verstecken. Im Zugabenteil dürfen dann bei „Nothing Else Matters“ auch echte Männer zu ihren Gefühlen stehen, bevor mit „Enter Sandman“ alle nach Hause und ins Bett geschickt werden, wo der Sandmann und zwei, drei unter dem Bett wohnhafte Monster schon auf uns warten.
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