Mariusz Jan Demner erzählt, wie politische Kommunikation funktioniert, warum die Impfkampagne in die Hose ging und dass man nicht vergessen sollte, wie verwöhnt wir heute sind.
Demner wollte nie für Politik, werben, obwohl er sie dann als besonders spannend empfand.
KURIER:Welche Berufsbezeichnung steht auf Ihrer Visitenkarte?
Mariusz Jan Demner: „Praktikant“. Das habe ich beibehalten, weil ich als Autodidakt begonnen habe und weil ich die Titel in unserer Branche immer ein bisschen deppert gefunden habe. Nur einmal habe ich spezielle Karten – mit CEO oder so – anfertigen lassen, als ich in Japan eine paneuropäische Kampagne für Mazda präsentiert habe. Dort wäre das nicht so gut angekommen.
Was macht einen erfolgreichen Werber aus?
Das versuche ich schon seit Jahrzehnten herauszufinden.
Ihnen ist es gelungen, woran lag es?
Dass ich nicht versucht habe, ein erfolgreicher Werber zu sein. Das kostbarste Gut, das es in unserem Metier gibt, ist die Aufmerksamkeit von Menschen, die wir erreichen wollen. Da ist es hinderlich, wenn man sich zu viel mit sich selbst beschäftigt.
Ihr Sohn Marcello ist mittlerweile im Führungsteam der Agentur. Er meinte, es funktioniere, weil Sie sich hie und da auf die Lippen beißen. Wie blutig sind Ihre Lippen?
Sie sind heil – sein Einstieg ist ja schon drei Jahre her. Es war mir klar, dass ich ihm Platz lassen muss, und ich wollte ja auch in die Zukunft schauen. Im Vorjahr haben die Youngsters ein Rekordjahr hingelegt.
Sie selbst wirken nach wie vor hyperaktiv und halten offenbar wenig von Work-Life-Balance und Homeoffice, oder? Wenn das work nicht passt, dann passt auch das life nicht. Für mich ist die Agentur „playground“, wo intelligente und inspirierte Menschen zusammenkommen. Es funktioniert zwar auch gut remote, aber ich bevorzuge den persönlichen Austausch.
Merken Sie den Wirtschaftsabschwung in der Auftragslage?
Noch nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir erfolgreiche Kunden haben, die nicht so konjunkturabhängig sind wie andere. Es lohnt sich aber, einmal nachzudenken, in welchen Umständen wir jetzt leben. Wir sind ja extrem verwöhnt: Was heutzutage als Krise bezeichnet wird, hat man im vorigen Jahrtausend auf furchtbarste Art in Weltkriegen erlebt. Etwas mehr Gelassenheit würde guttun.
Ihre Agentur hat Sprüche kreiert, die in die Alltagssprache eingingen, etwa: „Ganze Männer machen halbe-halbe“.
Der „Halbe-Halbe“-Spruch hat eine Diskussion angestoßen, die damals so gar nicht in der Zeit war.
Hat er Aggressionen erzeugt?
Oh ja, ich glaube, er hat Helga Konrad sogar irgendwann den Job als Frauenministerin gekostet. Tolle Frau, sie hat sich da mit uns etwas getraut! Was heute in der Politik vielfach fehlt: Es geht nicht darum, die Komplexität der Krisen darzustellen, sondern darum, Zeichen zu setzen, die weiterbringen. Bill Clinton hat einmal gesagt: „The job of an American president is selling hope to the people.“ Diese Zeichensetzung ist in der Politik verloren gegangen. Es gibt ein paar, die das verstehen, des dann aber für Dinge nutzen, die mir persönlich überhaupt nicht gefallen.
Er und sein Team haben sicherlich Strategie, Kommunikation und Zeichensetzung verstanden. Das beherrschen momentan nur ganz wenige. Auch Herbert Kickl, der aus der Werbung kommt, weiß, wie Kommunikation funktioniert. Das macht ihn ja so gefährlich. Dass er dann einen Köpfler hinlegt und keine Regierung zustande bringt, ist sozusagen das Glück jener auf der Insel der Seligen.
Würden Sie für die Freiheitlichen Werbung machen?
Sicher nicht! Ich habe zwei Wahlkämpfe nur deshalb gemacht, weil die FPÖ schon zu nah dran war. Wobei Wahlkämpfe zu dem Spannendsten gehören, was ich gemacht habe.
Werner Faymann hat mit Ihnen 2008 gewonnen.
Ja, obwohl wir erst zwei Monate vor der Wahl – nach dem Wechsel von Alfred Gusenbauer zu Faymann – kontaktiert worden sind. Die SPÖ lag gleichauf mit der FPÖ. Wilhelm Molterer hat damals die Koalition aufgekündigt ...
... mit den Worten „es reicht“.
Als ich das hörte, dachte ich mir: Da schau her, jetzt bin ich aber gespannt, was noch kommt. Aber es kam nichts.
„Genug gestritten“ war dann Ihr Slogan für Faymann.
Das waren zwei Worte, denen weit mehr Menschen zustimmen konnten, als das Potenzial der SPÖ ausgemacht hat. Das haben sogar die gut gefunden, die Faymann gar nicht gekannt haben. In nur zwei Monaten kamen wir von 21 auf fast 30 Prozent. Davor hat er allerdings mit Gusenbauer einen Brief an einen berühmten Herausgeber geschrieben ....
....Krone-Chef Hans Dichand. (Darin versprach man der EU-kritischen Krone, das Volk bei EU-Vertragsänderungen zu befragen.)
Ja, das hat Faymann sozusagen in Verschiss gebracht bei vielen Journalisten, die dann diesen Erdrutschsieg kleingemacht haben.
Salon Salomon: Zum ausführlichen Gespräch mit Werbeguru Mariusz Jan Demner
Stehen Sie politisch links?
Ich bin politisch „distant“ und wüsste so wie viele andere nicht, woran ich mich heute politisch orientieren könnte. Das ist das Problem der Politik.
Was macht gute politische Werbung aus?
Es fehlen positive Erzählungen. Damit beschäftigt sich offensichtlich niemand.
Einer Ihrer größten Werbekunden ist Lutz, Sie haben die Familie Putz erfunden.
Vor allem aber haben wir das XXX davor erfunden.
Bei der Adgar-Gala der Werber hat Kabarettist Andreas Vitasek gewitzelt, er vermisse dort einen Opa. Haben Sie ihm die Rolle schon angeboten?
Das kommt noch – vielleicht nicht der Opa, aber was anderes.
Die Kampagne „Sexy not sorry“ erschien kurz vor der Palmers-Insolvenz. Die Konkurrenz lästerte: „Go woke, go broke“. War es wirklich die ideale Werbung?
Palmers hatte einen jungen, fähigen CEO bekommen. Allerdings spät: Erst nachdem wir so richtig losgelegt haben, ist ein enormer Schuldenberg der Vergangenheit aufgetaucht. Dennoch: Die Kampagne hat enorm gut funktioniert, Palmers war schlagartig relevant. Es gab viel Zustimmung, es gab aber auch Kritik – oft von jenen Damen, die sich über die „zu sexy-Kampagne“ („Trau dich doch“) 30 Jahre zuvor empört hatten. Die Umsätze sind gestiegen, aber Wunder dauern wohl etwas länger.
Sie haben die Regierungsimpfkampagne stark kritisiert. Was war daran falsch?
Die Haltung. Denn Impfen kann man nicht mit dem Imperativ „Österreich impft“ verordnen.
Es war also zu erzieherisch?
Unsere Kampagne zum EU-Beitritt war deshalb so erfolgreich, weil wir den Österreicherinnen und Österreichern nix aufs Auge gedrückt, sondern nur gefragt haben: „Gemeinsam oder einsam?“ Für zwei Drittel war ein „Ja“ zum EU-Beitritt dann so etwas wie das kleinere Übel. Solch einen Zugang hat man mit „Österreich impft“ leider verpasst.
Sie waren ein geniales Trio: Demner mit Franz Merlicek und Harry Bergmann. Als sich die Agentur 2014 von Merliceks Ehefrau trennte, ging auch Merlicek. Später – aus anderen Gründen – auch Bergmann. Haben Sie mit den beiden noch Kontakt?
Mit Harry Bergmann habe ich laufend Kontakt und lese gerne seine „Falter“-Kolumnen. Merlicek, auch einer der Talentiertesten, muss hingegen was im Nacken haben: Wenn ich versuche, ihn zu grüßen, kann er den Kopf nicht zu mir drehen. Sein Abgang war leider ein Betriebsunfall. Aber es hatte auch etwas Positives: Die Agentur ist schlagartig wieder jung geworden.
Sie werden heuer 80. Was ist das Geheimnis, dass Sie sich so gut gehalten haben?
Dass ich immer verschweige, wie alt ich werde.
Mariusz Jan Demner hat bereits als Student, 1969, eine Werbeagentur gegründet. Später wurde daraus Demner, Merlicek und Bergmann. 2022 gab er die operative Führung ab, ist aber noch für einzelne Kunden, wie Lutz, tätig. Sein Sohn Marcello ist nun Teil des Führungsteams der „Demner Group. Die Agentur schuf viele legendäre Werbesprüche und verhalf Werner Faymann 2008 zum Wahlsieg.
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