"Tatort" am Sonntag: Emotionale Gezeitenlage

"Tatort" am Sonntag: Emotionale Gezeitenlage
"Tödliche Flut" heißt der neue Fall für das Hamburger Ermittler-Duo Falke und Grosz. Am Sonntag in ORF2 (20.15).

Imke Leopold hat sich verbissen. In eine Geschichte. Die Journalistin ist einem vermeintlich illegalen Immobiliendeal auf der Spur. Als sie ihren alten Freund, ihren Ex-Lover Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring), um Hilfe bei der Aufklärung bittet, reagiert der Hamburger Kommissar zunächst skeptisch. Als Imke kurz darauf Opfer eines Anschlags wird, den sie nur durch Glück überlebt, macht er sich auf den Weg und nimmt seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) mit.

Gemeinsam geht es gen Norden – genauer gesagt auf die niedersächsische Nordseeinsel Norderney. Dort erwartet sie bereits Imke Leopold (Franziska Hartmann), die sich verfolgt und bedroht fühlt. Die Journalistin fürchtet, dass sie auf der ostfriesischen Insel der Immobilien-Mafia auf die Spur gekommen ist und deshalb nun ihr Leben auf dem Spiel steht. Eine Vermutung, die kurz darauf bestätigt wird. Es ist aber nicht Imke, die erschlagen wird: Erwischt hat es stattdessen einen Immobilienmakler, der Imke davor mit Informationen versorgt hatte.

Ebbe und Flut

"Tatort" am Sonntag: Emotionale Gezeitenlage

Die Journalistin, bei der alle Fäden zusammenlaufen, gilt demnach als hochgradig gefährdet. Aber ihr Auftreten ist auch hochgradig verstörend: Sie wirkt seltsam, ist Kommissarin Grosz gegenüber übergriffig, grenzüberschreitend und hat manische Züge. Sie sieht hinter jedem kleinen Beziehungsgeflecht eine große Verschwörung. Im Grunde ist sie zwar auf der richtigen Spur, aber sie bringt haltlose Anschuldigungen vor, verliert zunehmend den Bezug zur Realität. Es ist ein Wechselbad der Gefühle – mal Ebbe, mal Flut.

Dieses emotionale Ping-Pong ist in eine Umgebung eingebettet, in der die Leere und Langeweile greifbar ist. Die von der Kamera eingefangenen Bilder sind schön und werden von der NDR Radiophilharmonie, die die Filmmusik live eingespielt hat, in Szene gesetzt. Sie zeigen eine Landschaft, eine Insel im Winterschlaf. Diese dort vorherrschende Melancholie legt sich wie ein dichter Nebel über die Handlung. Alles ist diffus, nichts mehr eindeutig, alles dauert eine halbe Ewigkeit. Sollte man bei den teils recht langatmigen Ermittlungen einmal kurz wegschlummern, ist das nicht weiter tragisch.

Hellwach ist hingegen Grosz. Sie sieht alles klar, traut der Geschichte nicht, währenddessen Kollege Falke Imke längst verfallen ist.

Will dieser „Tatort“ zeigen, wie leicht wir zu manipulieren sind? „Wir sind schnell bereit, Dinge auszublenden, die wir nicht sehen wollen. Und wenn wir das Gegenüber attraktiv finden, fällt es uns noch schwerer, objektiv zu sein. Wir gehen wie selbstverständlich davon aus, dass unsere Mitmenschen rational und verantwortungsbewusst handeln. Denn das ist die Basis einer Gesellschaft. Aber wie verhält man sich gegenüber Leuten, die nicht zurechnungsfähig sind, die sich nicht an Regeln halten und ihren eigenen Film fahren? Dann stoßen wir an unsere Grenzen. Das ist es, was ich an diesem Fall interessant finde. Die Sicherheit, in der wir uns wiegen, ist sehr fragil“, sagt Franziska Weisz.

Info: „Tödliche Flut“ – Das Hamburger Duo ermittelt am Sonntag um 20.15 in ORF2

"Tatort" am Sonntag: Emotionale Gezeitenlage

Julia Grosz (gespielt von der Wiener Schauspielerin Franziska Weisz)

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