Serie über tödliche Spiele in München: "Es geht um Schuld"

Yousef „Joe“ Sweid und Seyneb Saleh als plötzlich zusammengewürfeltes Ermittler-Duo, das sich zum Teil selbst in die Ereignisse verstrickt
Ein Spiel soll zeigen, dass Israel und Deutschland heutzutage Seite an Seite stehen. Anlässlich des Jahrestags der Geiselnahme bei den Olympischen Spielen 1972 von München ist ein Fußballspiel zwischen Teams beider Länder im Olympiastadion geplant.
Das ist die Ausgangssituation der Sky-Thrillerserie „Munich Games“. Konzipiert wurde der Sechsteiler von derisraelischen Autorin Michal Aviram („Fauda“). Sie habe sich nun die Frage gestellt: „Was ist, wenn so etwas heute passieren würde? Wäre der Umgang der Politik, der Polizei und der deutschen und israelischen Nachrichtendienste ein anderer?“

Aviram ist Headwriterin der Netflix-Serie „Fauda“
Denn in der Serie ist die Lage angespannt. Wenige Tage vor dem Match wird im Darknet anonym ein bedrohliches Ego-Shooter-Video veröffentlicht, auf dem Pläne des Stadions zu sehen sind, die nur Insidern zugänglich sind.
Der in Berlin stationierte israelische Agent Oren Simon (Yousef Sweid) und die deutsche LKA-Beamtin Maria Köhler (Seyneb Saleh) – sie hat libanesische Wurzeln – werden auf den Fall angesetzt. Dabei werden auch die unterschiedlichen Methoden und Befugnisse ihrer Länder offenbar.
München 1972
Am 5. September 1972 weitete sich der Konflikt zwischen Palästina und Israel auf internationalem Boden aus. Palästinensische Terroristen überfielen die Unterkunft der israelischen Mannschaft im Olympiadorf. Elf Geiseln und ein Polizist kamen ums Leben, fünf der acht Geiselnehmer starben ebenfalls.
50. Jahrestag
„Munich Games“ (Regie: Philipp Kadelbach) ist auf Sky linear und als Stream (jeden Sonntag eine neue Folge)zu sehen. Begleitend läuft das Doku-Drama „1972 – Münchens schwarzer September“
Ungleiches Paar
Saleh über die Konstellation: „Sie sind ein ungleiches Paar und haben sehr unterschiedliche Ansätze zu arbeiten. Vieles von dem, was Oren als Mossad-Agent macht, ist in Deutschland ja highly illegal und damit hat Maria ein sehr großes Problem. Und trotzdem haben sie ein gemeinsames Ziel und müssen miteinander klarkommen.“
Sweid findet an seiner Figur interessant, „dass er keineswegs der klassische Mossad-Agent mit der Waffe an der Front ist, der keine Angst hat. Ganz im Gegenteil, er ist ein nerdiger Computer-Typ, der in die Situation eher zufällig hineinschlittert, um zu enträtseln, was diesmal passieren wird. Man fragt sich: Wird sich die Geschichte von München ’72 wiederholen?“
Saleh, eine deutsche Schauspielerin mit irakischen Wurzeln, sieht es als „Glück, eine vielschichtige, sehr komplexe Frauenfigur spielen zu dürfen, was man leider noch nicht so häufig findet. Es stellt sich heraus, dass ihr Liebhaber auch ihr Informant ist, und man erfährt, dass sie einen Ehemann und eine Tochter hat. Es entblättert sich langsam ihr ganzer Charakter. “
Sweid, der aus einer israelischen Familie arabischer Christen stammt, empfindet den Stoff als explosiv und heikel. „Wissen Sie, wenn man sich mit Arabern, Israelis, Juden und Deutschen befasst, ist das natürlich sofort ein heikles Thema“, meint er lächelnd. Aber am Ende sei „nicht wirklich klar, wer hier der good boy und wer der bad boy ist. Die Situation wird sehr komplex geschildert.“
Der Schauspieler, der seit einigen Jahren in Berlin lebt, weiter: „Natürlich sind Trauma und Leid eine wichtige Sache zwischen Israel und Palästina, und es gibt auch oft Streit darüber, welches Volk mehr Leid erfahren hat. Jede Gruppe hat ihre eigenen großen Tragödien, von denen die andere meistens nichts hören möchte. Die Serie versetzt einen sofort in das Innere dieses Konfliktes, betrachtet aber nicht die Vergangenheit, sondern setzt sich mit dem Status Quo auseinander.“
Besorgnis
Dass in europäischen Gesellschaften antisemitische und islamophobe Übergriffe zunehmen, finden beide besorgniserregend. Sweid: „Leider liegt es in unserer menschlichen Natur, zu sagen: Jeder, der nicht in unserer Gruppe ist, ist weniger wert als wir. Jedes Land hat seinen Rassismus.“ Saleh meint, es müsse gelingen, „ein gesellschaftliches Klima zu erhalten, in welchem wir einander als Menschen wahrnehmen und begegnen.“
KURIER: Ist das Trauma von 1972 in München in Israel noch präsent?
Michal Aviram: Es ist ein Ereignis, das gerade jetzt, 50 Jahre später, immer noch sehr präsent ist. Nicht unbedingt für sehr junge Leute, aber eine gewisse Generation hat dieses Attentat nicht vergessen. Heutzutage ist es die neue Normalität, dass Leute solche Dinge auf tiktok und anderen Sozialen Medien live übertragen. Damals war es einfach unvorstellbar, einen Terroristen während eines Angriffs live zu sehen. Das ist sicherlich ein Grund, warum diese Bilder so dermaßen ikonisch wurden.
Sie zeigen das nun auf neue Art, inspiriert von diesen realen Ereignissen. Wie war ihre Herangehensweise?
Es geht unter anderem um Schuld. Wenn wir uns mit traumatischen Ereignissen immer wieder auseinandersetzen, werden wir dann bessere Menschen, die umsichtiger mit der Zukunft umgehen? Oder sabotieren wir uns selbst, weil wir in unseren Traumata gefangen sind und nicht unvorbelastet in die Zukunft blicken können?
Sie behandeln auch in „Fauda“ den israelisch-palästinensischen Konflikt. Ein endloses Thema?
Für mich als Autorin geht es nicht so sehr um diesen spezifischen Konflikt, vielmehr geht es um unsere Welt heute. Wir leben in multikulturellen Gesellschaften und müssen lernen, zusammenzuleben. Man kann das auch an „Fauda“ sehen. Der Grund, warum sich Menschen aus vielen Ländern damit identifizieren können, ist, weil es in der Serie nicht nur eine einzige Stimme gibt. Und das ist auch bei „Munich Games“ so. Es hat etwas sehr Internationales und Universelles, weil Charaktere aus vielen Weltgegenden vorkommen.
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