ServusTV: Ein Sender auf dem Scheideweg

Bleibt dem Sender als Berater und (laut Eigendefinition satirischer) Kommentator „Der Wegscheider“ erhalten.
Es war ein Rätselraten um den Abschied von Ferdinand Wegscheider bei ServusTV. Kurz nach seinem 65. Geburtstag am 2. September kam dann die Bestätigung, dass Wegscheider sich mit 30. September aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehe. An dieser Aussage hat sich nichts geändert. Auch nicht daran, dass er dem Sender als Berater und (laut Eigendefinition satirischer) Kommentator „Der Wegscheider“ erhalten bleibt.
Damit endet eine fast zehnjährige Ära beim Salzburger Sender, den Wegscheider als Intendant immerhin zur Nummer drei unter den österreichischen Anbietern gemacht hat (siehe Grafik). Aber spätestens seit dem Tod des Red-Bull-Boss’ und Sendergründers Dietrich Mateschitz im Oktober 2022 stellt sich die Frage, wie viel den Nachfolgern im Dosenimperium die Tätigkeiten abseits des Kerngeschäfts künftig wert sein würden. Dass die Kommunikationspolitik im Hause Red Bull traditionell zurückhaltend ist, befeuert erst recht Spekulationen.

Anmerkung: Puls 4 und ATV lieferten nur Daten für die hier nicht ideal vergleichbare Zielgruopr 12-49 Jahre
Neue Struktur
So wird es etwa zum Antritt des neuen Spitzenmanagers in Salzburg, Matthias Brügelmann, keine Pressekonferenz geben. Der bisherige Bild-Sportchef und Chefredaktionsmitglied Brügelmann wird künftig als Global Head of Content für die Inhalte aller Medienmarken be Red Bull gesamtverantwortlich sein. Das Ziel der geänderten Struktur unter dem neuen Dach Servus Media: Inhalte sollen verstärkt „kanalübergreifend“ produziert werden. Es soll ein „digitaleres, relevanteres und effizienteres Medienunternehmen“ entstehen. Das Wort Effizienz kann oft mit kostenschonend übersetzt werden.
Für Aufsehen sorgte erst am Wochenende der Abgang des Sportrechte-Chefs David Morgenbesser, der im „besten Einvernehmen“ erfolgt sei. Er schied mit Monatsende als Head of Commercial aus. Nachfolger ist Thomas Schrefler. Dieser wird bereits seit 2023 als Bereichsleiter Sportrechte geführt. Schreflers künftiger Titel laut ServusTV: „Bereichsleiter Sportrechte“.
Zur künftigen Aufstellung beim Sport, der zuletzt immer wichtiger, aber auch kostenintensiver wurde, heißt es lediglich: „Auch im Sportrechte-Bereich bietet ServusTV 2026 ein Weltklasse-Programm: mit der Übertragung von 52 Live-Spielen bei der Fußball-WM, dem umfassendsten Motorsport-Angebot von Formel 1 bis MotoGP, den UEFA-Klubbewerben, Spitzentennis und weiteren Highlights.“ Für 2028 hatte man sich unter Morgenbesser noch die Rechte für die Fußball-EM gesichert. Die (ebenfalls mit dem ORF geteilten) Rechte an der Formel 1 laufen bis Ende 2026.
Wegscheider machte aus dem anfänglichen Heimatdokukanal ab 2016 nicht nur einen angriffigen Informationsanbieter, der in Flüchtlings- und Coronakrisen einen bis dahin hierzulande nicht gekannten Info-Mix präsentierte, sondern auch den einzigen Sender abseits des ORF, der ernsthaft Fictionformate produziert. Mit „Trakehnerblut“ startete 2017 die erste Serie – mit 169.000 Zusehern. Die Quoten der folgenden Krimireihen „Meiberger“, „Im Netz der Camorra“, „Der Metzger“ oder zuletzt „Trost & Rath“ wurden aber weniger offensiv verkündet als die Sport-Rekordquoten.

Matthias Brügelmann.
Experimentieren
Dem Vernehmen nach liegen aktuell mehrere Reihen auf Eis, einzelne könnten vor dem Aus stehen. Aus Salzburg hieß es dazu: „ServusTV produziert aktuell neue Fiction-Formate, die 2026 ausgestrahlt werden, sowie eine weitere Produktion für 2027.“ Auf Nachfrage fügte man knapp hinzu: „Weitere sind in Planung.“
Am 4. Oktober wird erstmals „Lasser ermittelt“ mit Juergen Maurer ausgestrahlt und aktuell werden zwei weitere „Alpentod“-Krimis mit Veronica Ferres gedreht. Der Sender zeigt sich zumindest experimentierfreudig. Gesetzt scheint der Altaussee-Krimi, der zuletzt mit 310.000 Zusehern bei Teil 5 („Letzter Jodler“) und 13 % Marktanteil in Sphären von ORF 1 vorstieß. Dies war erklärtes Ziel Wegscheiders, der einst als Privatsender-Pionier mit dem als „Piratensender“ eingestuften SalzburgTV startete.
In einem KURIER-Interview kommentierte der frühere „Mr. Pro Sieben“ Georg Kofler, er habe das Projekt ServusTV„immer als sehr mutig“ betrachtet, “man könnte es auch medienwirtschaftliches Mäzenatentum nennen“.
Der „letzte Jodler“ scheint weit entfernt – aber ob kleinere Brötchen gebacken werden müssen, bleibt offen – im Sender auf dem Scheideweg.
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