KURIER: Emerald Fennell ist bekannt dafür, sehr eigenwillige weibliche Charaktere zu erschaffen. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?
Rosamund Pike: Elspeth ist eine sehr ungewöhnliche Matriarchin. Sie ist komplett desinteressiert an ihren eigenen Kindern. Und weil sie zu Ihnen keine Verbindung spürt, versucht sie eine Connection zu Outsidern aufzubauen, denn das ist um einiges leichter. Sie liebt Projekte. Und Oliver ist ein perfektes Projekt. Denn er ist verletzlich und profitiert von ihrer Aufmerksamkeit. Sie wiederum fühlt sich gut, weil sie die wohlwollende Göttin spielen kann, die von ihm bewundert wird. Meine Rolle ist magersüchtig im Sinne von: sie hungert jedes Gefühl in sich aus. Sie schafft es nicht, mit echten und tiefgründigen Situationen fertig zu werden. Sogar diese vergräbt sie im Smalltalk.
Sie haben die Rolle als eine der schwierigsten Ihrer Karriere beschrieben, warum?
Meine Vorbereitung war extrem intensiv, weil Elspeth jemand ist, der absolut nichts tut. Ich habe alles abgesagt, bin auf Urlaub gefahren und am Swimmingpool gesessen. Meine größte Entscheidung war, welchen Badeanzug ich anziehe. Welche Cocktails ich bestelle, welche Zeitschriften ich lese. Ich ging auf Ebay, um welche aus 2007 zu finden. Darin habe ich über all die Leute gelesen, die nicht sie selbst sind. So habe ich mich in Elspeth hineinversetzt, denn ihre Eitelkeit kennt keine Grenzen.
Haben Sie in England solche Frauen kennengelernt?
Absolut! Das sind Menschen, in deren Gesellschaft ich mich extrem unwohl fühle. Man weiß gar nicht, was man falsch gemacht hat, aber man spürt, dass man nicht dazu passt. Da gibt es diese Bemerkung, „ach, wie clever“. Obwohl das ein nettes Wort ist, ist es irgendwie nicht nett gemeint. Das sind bizarre Abarten dieses gesellschaftlich akzeptierten britischen Benehmens, und keiner sagt dir, was der Code dafür ist. Aber du weißt mit Sicherheit, wenn du die Regeln gebrochen hast.
Sie sind auch in die Villa gezogen, in der gefilmt wurde?
Ja. Am ersten Tag öffnete ich die Vorhänge und da waren all diese Cateringbusse für den Dreh. Ich dachte: Habe ich einen Riesenfehler begangen? Es war wie der Satz im Film: „Viele verlieren sich in Saltburn. Und sie können es nie wieder verlassen.“ Das Anwesen ist riesig, nichts drumherum, und ich hatte kein Auto. Ich war gefangen. Aber die Familie, der es gehört, war großartig. Ich hatte mein eigenes Zimmer und habe sehr viele der anderen Zimmer nie gesehen.
Wie erinnern Sie sich an 2007 zurück?
Ich erinnere mich sehr gut an diese Ära. Ich war auf einmal auf Zeitschriftencovern, die Leute wollten Autogramme, und die Fotografen wollten mich dabei erwischen, wie ich ungelenk aus dem Taxi steige. Das war für Frauen keine einfache Zeit. Die haben nur darauf gewartet, dass du am roten Teppich großartig aussiehst und ein paar Stunden später ein paar Drinks zu viel hast, und dich danebenbenimmst.
Wonach suchen Sie sich Ihre Rollen aus?
Wenn mir nicht nur die Rolle, sondern auch die Geschichte nicht mehr aus dem Sinn geht. Ich behaupte ja, dass ich am Ende des Drehtages die Figur leicht ablegen kann, aber mein Mann würde das vehement bestreiten.
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