Kriegsende, Staatsvertrag, EU-Beitritt: ORF mit Programmschwerpunkt

Kriegsende, Staatsvertrag, EU-Beitritt: ORF mit Programmschwerpunkt
"ORF als nationales Gedächtnis" widmet sich über alle Kanäle hinweg den Republiksjubiläen. Live-Übertragungen, zahlreiche Neu-Produktionen und Gespräche mit letzten Zeitzeugen

34 Neuproduktionen, 100 Stunden Programm auf ORF 2 und ORF III, 50 Sendungen auf Ö1 und ein vielfältiger Online-Auftritt: Der ORF nimmt die Republiksjubiläen 2025 nicht nur zum Anlass für einen großen Programmschwerpunkt, sondern auch, um sich "Channel-übergreifend als nationales Gedächtnis“ zu präsentieren, wie ORF-Generaldirektor Roland Weißmann bei der Präsentation am Donnerstag im Haus der Geschichte Österreich (hdgö) erklärte. Liveübertragungen von Gedenk- und Festakten am 27. April (Gründung der Zweiten Republik), 8. Mai (Kriegsende in Europa) und 15. Mai (Staatsvertrag) gehören da natürlich dazu. An den drei genannten Tagen wird es übrigens freien Eintritt im hdgö geben, kündigte dessen Direktorin Monika Sommer an. 

"Nicht belehren“

"Nicht von oben herab belehren, sondern die Menschen für sich sprechen lassen“, ist für Thomas Matzek, Leiter Hauptabteilung ORF Wissen, die Devise bei dem multimedialen Programm-Schwerpunkt. 

Zu den TV-Highlights gehört die neue neunteilige, von den ORF-Landesstudios produzierte ORF-2-Dokureihe "Unser Österreich“, die gemeinsam mit Geburtstagskindern des Jahres 1945 auf 80 Jahre Lebens- und Republiksgeschichte zurückblickt. Die dritte Staffel des epochalen, auf einer Weißmann-Idee beruhenden ORF-III-Projekts "Österreich – Die ganze Geschichte“ erzählt in zehn Ausgaben den Weg des Landes vom Ersten Weltkrieg bis zur Zweiten Republik. In einem "ZIB Wissen“ fragen Tarek Leitner und Nadja Bernhard nach, was der Kitt ist, der Österreich zusammenhält und welche Rolle etwa die Neutralität spielt. 

Kriegsende, Staatsvertrag, EU-Beitritt: ORF mit Programmschwerpunkt

Channel-übergreifender Schwerpunkt (v. li.): Thomas Matzek (Leiter Hauptabteilung ORF Wissen), Roland Weißmann (ORF-Generaldirektor), Kathrin Zierhut-Kunz (kaufmännische Geschäftsführerin ORF III), Kurt Reissnegger (interimistischer Leiter Ö1). 

"Gemeinsam erinnern“

Mit dem Oral-History-Projekt "Gemeinsam erinnern" lädt Ö1 dazu ein, Familiengeschichten aus der Nachkriegszeit zu erzählen und so das kollektive Gedächtnis Österreichs über diese Zeit zu bewahren. Telefonisch ist das von 22. bis 24. April vormittags möglich (0800226979) oder via Upload von kurzen Audios und Videos (oe1.ORF.at/zweiterepublik).  Die "Radiokolleg Spezial“-Reihe „Wie Österreich neu formiert wurde“ beleuchtet in sechs Ausgaben, wie aus Ruinen ein neuer Staat entstand. 

Das ORF.at-Netzwerk widmet den Republiksjubiläen einen Channel-übergreifenden multimedialen Schwerpunkt.

 "Neun Puzzlesteine"

"Die Geschichte der Zweiten Republik ist eine Geschichte der Bundesländer", betonte NÖ-Landesdirektor Alexander Hofer. Die Länder-Reihe "Unser Österreich“ in ORF2 sei "eine spannende Reise durch die Zweite Republik mit vielen emotionalen Momenten. Wenn man dann die neun Puzzlesteine zusammensetzt, dann wird das zu einer noch nie dagewesenen Aufarbeitung der Zweiten Republik in Österreich."

Weitere TV-Premieren: "dokFilm“ präsentiert die Produktion "Jazz in Österreich – Von der Befreiung zum Neubeginn“ . "Universum History: 1945 – Die Welt im Umbruch“ lässt dieses Schicksalsjahr für die ganze Welt noch einmal Revue passieren. In "kreuz und quer: MärtyrerInnen und WiderstandskämpferInnen im NS-Regime“ werden die Schicksale von Menschen nachgezeichnet, die während des NS-Regimes aufgrund ihres Glaubens Widerstand leisteten. Das "Österreich-Bild: 70 Jahre Staatsvertrag und Volksgruppen“ analysiert, wie die Republik mit den Rechten aus Artikel 7 des Staatsvertrags umgegangen ist.

Zu den ergänzenden Spielfilmen im ORF-2-Programmangebot zählen Mirjam Ungers "Maikäfer flieg", Wolfgang Murnbergers "Kleine große Stimme", Gabriela Zerhaus "Ein Dorf wehrt sich" und die Wiederausstrahlung der "Bockerer"-Filme. 

Bildungsauftrag und neue Erzählweise

"Zeitzeugen werden wir nicht mehr lange befragen können", betonte Kathrin Zierhut-Kunz, die kaufmännische Geschäftsführerin von ORF III, den Bildungsauftrag, dem man u.a. mit neuen Erzählweisen Rechnung trage. Zu den Neuproduktionen von ORF III zählen "Österreich 1945 - Neubeginn nach der Katastrophe", "15. Mai 1955 - Österreich ist frei" oder die dritte Staffel von "Österreich - Die ganze Geschichte", die "mit sehr viel Reenactment" den Zeitraum von 1918 bis 1955 behandelt. Eine vierte Staffel wurde für Herbst angekündigt.

"Weniger reden, mehr zuhören!"

"Wir sind Erklärspezialisten", versicherte Kurt Reissnegger, der interimistische Leiter von Ö1. Deshalb beleuchtet u. a. die "Radiokolleg Spezial"-Reihe "Wie Österreich neu formiert wurde" in sechs Folgen das "Nationbuilding" nach Fall des NS-Regimes. Mit dem Oral-History-Projekt "Gemeinsam erinnern" setzt auch das Radio stark auf die letzten Zeitzeugen. Die Frage, wie man es schaffe, mit schrecklichen Erlebnissen der Vergangenheit umzugehen, sei eine Herausforderung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, so Reissnegger. "Die Anrufe waren manchmal wirklich ergreifend. Das Wesentliche war, dass wir zugehört haben. Und das ist auch unsere Lehre daraus: Weniger reden, mehr zuhören!" Das will man auch in einer Sommerserie, bei der man Auslands-Österreicherinnen und -Österreichern zuhören möchte.

Politische Ränder

Immer wieder habe sie den Einwand gehört, so hdgö-Direktor Sommer, dass 80 Jahre als Gedenkzeitpunkt für Kriegsende und Republikgründung "nicht so spektakulär" seien. "In der Erinnerungsforschung sind 80 Jahre aber sehr wichtig, denn sie beschreiben eine Generationenschwelle. Wir sind am Ende der Zeitzeugenschaft." Außerdem gebe es gegenwärtige ein "Erstarken der politischen Ränder". Die Erinnerung sei ein zentraler Baustein, um Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.

 

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