Puls4-Reporterin Manuela Raidl: „Mir fehlt oft die Konstruktivität“

Mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger werden heute (Montag) die Puls4-„Sommergespräche“ eröffnet (die Termine finden Sie in der Infobox unten). Die Moderation übernimmt Manuela Raidl, die im Gespräch mit den Parteivorsitzenden aus dem üblichen Modus ausbrechen will.
KURIER: In den vergangenen Monaten hatten wir genügend Live-Streams und Pressekonferenzen von Politikerinnen und Politikern. Glauben Sie, die Leute haben trotzdem Lust auf Polit-Inhalte und „Sommergespräche“?
Manuela Raidl: Ich glaube, die Leute müssen wieder mal sehen, welche Menschen hinter den Entscheidungen stehen, die im letzten Jahr getroffen wurden, und hinter den teils polarisierenden Aussagen, die getätigt wurden. Politik wird immer als Match inszeniert. Wir werden uns bemühen, einen Schritt zurückzugehen und herauszufinden: Wir gestaltet man als Spitzenpolitikerin, als Spitzenpolitiker? Wie funktioniert Entscheidungsfindung? Wie macht z. B. Pamela Rendi-Wagner Emotionsmanagement, wenn sie von den Parteigenossinnen und -genossen enttäuscht wird? Von wem nimmt Kanzler Sebastian Kurz Kritik an?
Das sind spannende Fragen, aber glauben Sie, dass Sie tatsächlich Antworten darauf bekommen werden?
Das ist immer die Herausforderung für beide Seiten, aus dem üblichen Modus auszusteigen. Wir versuchen das, indem wir die Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker aus dem gewohnten Umfeld herausholen und fragen, an welchem Ort sie uns treffen wollen – um so einen Schuhlöffel für eine andere Gesprächsebene zu bekommen. Wir haben uns unterschiedliche Elemente überlegt, die den Sinn haben, den üblichen Polit-Sprech zu unterbrechen. Ich bin gespannt, ob sich die Politikerinnen und Politiker darauf einlassen. Ich glaube, es ist in ihrem eigenen Sinne, sich als authentische Menschen zu präsentieren.

Sind Sie schon öfters wirklich überrascht worden von Politikerantworten?
Selten, um ehrlich zu sein. Es gehört aber auch zu meinem Job, vorher zu wissen, wie die Antwort lauten könnte auf die Frage, die ich stelle. Gerade bei Fernsehinterviews, die konfrontativer angelegt sind, überlegt man sich im Vorfeld: Wie könnte ich kontern, um den anderen oder die andere ein bisschen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dass man das so gut und so weit treibt, dass der oder die andere dabei aus dem eigenen Plan herausfällt, ist etwas viel verlangt von einer Journalistin. Politikerinnen und Politiker sind ja Profis.
Welche Orte haben sich die Politikerinnen und Politiker denn ausgesucht?
Wir wissen noch nicht bei allen, wo sie uns treffen wollen. Der Auftrag an die Parteichefinnen und Parteichefs ist, einen Ort zu wählen, zu dem sie einen persönlichen Bezug haben. Beate Meinl-Reisinger werden wir im Burggarten treffen. Sie hat gesagt, sie hat im letzten Jahr wenig Zeit gehabt und wenn sie mal spazieren wollte, dann war das meist in der Nähe der Parteizentrale. Oft hat sie es eben nicht weiter geschafft, als bis in den Burggarten.
Bietet man mit der Wahl des Ortes nicht zu viel Raum zur Selbstinszenierung?
Das ist aber dann auch wieder spannend und das kann man ja ansprechen. Dadurch kann man zum Beispiel thematisieren, was gelungene politische Kommunikation für den Einzelnen oder die Einzelne ist. Deshalb fände ich es auch interessant, zu sagen: Wirklich, Sie wollen unseren Zusehern und Zuseherinnen erklären, dass das Ihr persönlicher Lieblingsort ist?

Wie bereiten Sie sich vor? Schlüpfen Ihre Kolleginnen und Kollegen in die Rollen der Parteivorsitzenden?
Ich mag das normalerweise gerne, aber nachdem die „Sommergespräche“ ja nicht dieses Schnelle und Konfrontative haben sollen, wird es diese Rollenspiele jetzt nicht geben. In diesem Jahr war die Innenpolitik derartig intensiv, dass ich das Gefühl habe, thematisch steht man eh überall knietief drin. Die Herausforderung wird eher sein, einen Schritt zurückzumachen und zu überlegen: Was können wir anbieten, um die Leute auch emotional wieder mit der Politik zu verbinden?
Warum ist das wichtig?
Ich finde es immer schade, wenn wir als Gesellschaft intensive Zeiten erleben – sei es die Pandemie oder der Ibiza-Untersuchungsausschuss – und dann dieser Erschöpfungszustand und diese allgemeine Enttäuschung von der Politik eintritt. Gerade, wenn es um Fragen von Macht, Machtmissbrauch und Korruption geht, fehlt mir oft die Konstruktivität. Die Lehre, die man dann daraus zieht, ist: Die sind eh alle gleich. Unser Job als Journalistinnen und Journalisten ist es erstens, zu zeigen, dass diese Antwort nicht reicht, und zweitens, Lust darauf zu machen, über Politik nachzudenken und dranzubleiben.
Was wären konstruktive Fragen?
Ich glaube, wir müssen vorsichtiger sein, mit unseren Begriffen und damit, was wir zum Vorwurf machen. Machtstreben finde ich einen seltsamen Vorwurf für einen Politiker oder für eine Politikerin. Jeder, der einen Gestaltungswillen hat, wünscht sich ein gewisses Maß an Macht. Die Frage, die sich eher stellt, ist: Wie viel Selbstbeschränkung brauche ich, wenn ich viel Macht habe? Von wem muss ich Kritik annehmen? Wo grenze ich mich ab? Jeder, der sich in eine Position wählen lässt, um zu gestalten, muss sich solche Fragen in regelmäßigen Abständen gefallen lassen. Die "Sommergespräche" sind dafür, finde ich, der richtige Raum.
Sie haben früher Unterhaltungsjournalismus gemacht. Haben Sie den Wechsel in dem stressigen vergangenen Jahr manchmal bereut?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe nie bereut, vom Unterhaltungsjournalismus weggegangen zu sein, weil ich glaube, dass ich Information besser kann. Und ich glaube, dass meine Erfahrung aus dem Unterhaltungsjournalismus von Vorteil ist. Ich versuche immer, Leidenschaft für Politik zu wecken. Zu überlegen: Was ist die Essenz und wie können wir das so präsentieren, dass sich eben nicht die halbe Nation angewidert abwendet?
Welchen Vorteil verschafft Ihnen die Erfahrung aus dem Unterhaltungsjournalismus?
Ich glaube, ich weiß, wie man gewisse Gesprächssituationen herstellt und aus dem Konfrontationsmechanismus herausgeht. Im Journalismus, aber besonders im Unterhaltungsjournalismus gibt es den Spruch: Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Dieses Credo habe ich sehr stark in mir. Meine Eitelkeit als Journalistin steht mir nicht im Weg, wenn es darum geht, wie ich meine Inhalte fischgerecht aufbereite – um in der Metapher zu bleiben.
Sie waren beim Frühstücksfernsehen, sind aber eigentlich ein Morgenmuffel.
Jetzt nicht mehr. Das ist vielleicht eine Altersfrage. Möglicherweise bin ich schon bei der senilen Bettflucht angelangt (lacht). Aber Frühstücksfernsehen ist super herausfordernd. Wir reden da ja von Aufstehen um 2.50 Uhr und das könnte ich jetzt zugegebenermaßen nicht mehr machen.

Aber irgendwie kann man sich überwinden?
Dieses Live-on-Air-Sein erzeugt ein inneres Aufgewühltsein, das bei der Performance hilft. Was ich tatsächlich vermisse: Frühteams sind ein eigenes Biotop innerhalb von Redaktionen. Sie haben andere Arbeitszeiten als alle anderen und sind eine eingeschworene Gruppe, die manche vielleicht etwas anstrengend finden – weil man den anderen oft in einem Zustand begegnet, wo man schon leicht überdreht ist, weil man seit 3.30 Uhr im Sender ist.
Wie viel Entertainment darf denn im Politikjournalismus dabei sein?
Kommt darauf an, wie man Entertainment definiert, aber in gewisser Weise muss sich das Publikum immer unterhalten fühlen. Keiner dreht – auch wenn er sich Nachrichten anschaut – mit dem Gedanken auf: Und jetzt möchte ich mich 20 Minuten lang weiterbilden. Das ist das, was automatisch nebenbei passiert. Es gehört zum Handwerk, zu wissen: Wie kann ich meinen Bildungsauftrag erfüllen, in einer Art und Weise, dass die Leute zum Denken, zum Fühlen – und vielleicht an manchen Punkten sogar zum Lachen angeregt werden.
Die Moderatorin
Manuela Raidl wurde in Krems an der Donau geboren und hat Politikwissenschaft studiert. Mit Unterbrechungen seit 2004 bei Puls4 – zunächst beim Frühstücksfernsehen, dann im Politikjournalismus. Zwei Mal war sie ROMY-nominiert
Die Interviews
Die „Sommergespräche“ mit den Parteivorsitzenden finden an einem Ort ihrer Wahl statt. Auf einen Spaziergang folgt ein gesetztes Interview
Die Termine
Zu sehen sind die „Sommergespräche“ montags ab 21.15 Uhr bei Puls4 und Puls24. Den Auftakt macht heute Beate Meinl-Reisinger (Neos). Es folgen Pamela Rendi-Wagner (SPÖ, 12. 7.), Herbert Kickl (FPÖ, 19. 7.), Werner Kogler (Grüne, 26. 7.) und Sebastian Kurz (ÖVP, 2. 8.)
Kommentare