ORF.at: Streit um Textbegrenzung – 522 statt 350 Meldungen?

Zusammenfassung
- ORF wird beschuldigt, die gesetzliche Obergrenze von 350 Textmeldungen pro Woche überschritten zu haben, was der ORF bestreitet.
- Politische Diskussionen entfachen, da Kritiker dem ORF Gesetzesbruch vorwerfen und eine Präzisierung des ORF-Gesetzes gefordert wird.
- Unklarheiten bestehen, was als 'Textmeldung' zählt, während der ORF auf die Unabhängigkeit der KommAustria zur Prüfung verweist.
Die Online-Seite ORF.at steht wieder einmal im Fokus heftiger Diskussionen. Laut einer Analyse der Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) soll der ORF in der Woche vom 18. bis 25. März 2024 insgesamt 522 Textmeldungen veröffentlicht haben – und damit die gesetzlich erlaubte Obergrenze von 350 Meldungen pro Kalenderwoche deutlich überschritten haben.
Der ORF widerspricht den Vorwürfen entschieden. In einer offiziellen Aussendung hält der öffentlich-rechtliche Rundfunk fest, man habe im besagten Zeitraum nur 320 Meldungen gezählt und damit die Vorgaben des überarbeiteten ORF-Gesetzes lückenlos eingehalten.
Das seit 2023 reformierte ORF-Gesetz schreibt klar vor:
Maximal 350 Textbeiträge pro Woche auf Start- und Übersichtsseiten
Mindestens 70 % der Inhalte müssen aus Audio- oder Videobeiträgen bestehen
Texte dürfen nicht vertiefend sein und sich nicht wie klassische Zeitungstexte präsentieren
Die Debatte dreht sich nun um die Frage, was als „Textmeldung“ zählt: Während die OÖN laut eigener Aussage auch kurze Meldungen mitgezählt haben, die zu Unterseiten führen, betont der ORF, dass Verlinkungen und Aktualisierungen nicht als eigenständige Textbeiträge gelten. Auch reine Schlagzeilen, die auf andere ORF-Seiten wie science.ORF.at oder topos.ORF.at führen, fallen laut ORF nicht unter die Textbeschränkung.
Die Diskussion schlägt auch auf politischer Ebene Wellen
Kurt Egger (ÖVP), Mediensprecher der Volkspartei, spricht von einem „klaren Foul“ des ORF und wirft ihm vor, systematisch anderen Medienhäusern das Wasser abzugraben. Auch Henrike Brandstötter (NEOS) sieht einen „klaren Gesetzesbruch“ und kritisiert, dass die „blaue Seite“ von ORF.at eine Gratismentalität beim Medienkonsum fördere.
Im aktuellen Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS ist daher bereits eine weitere Präzisierung von §4e des ORF-Gesetzes vorgesehen – mit dem Ziel, den Online-Auftritt des ORF noch klarer von klassischen Nachrichtenportalen abzugrenzen.
Medienbehörde KommAustria könnte entscheiden
Der ORF zeigte sich in seiner Reaktion offen für eine Überprüfung und lud die OÖN ein, ihre Vorwürfe der KommAustria, der zuständigen Medienbehörde, zur Prüfung vorzulegen. Auch ein Sprecher von Medienminister Andreas Babler (SPÖ) verwies auf die Unabhängigkeit der KommAustria und betonte, dass zunächst eine Sachverhaltsdarstellung oder Beschwerde notwendig sei, bevor die Behörde aktiv werde.
Derzeit steht Aussage gegen Aussage – und ein offizielles Verfahren könnte Licht ins Dunkel bringen.
Hintergrund: ORF-Gesetzesnovelle von 2023
Die Debatte ist nicht neu: Schon lange fordern die Verleger eine klare Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Online-Angebot und journalistischer Konkurrenz. ORF.at gilt als reichweitenstärkstes Nachrichtenportal des Landes – und war damit immer wieder im Fokus der Kritik privater Medienhäuser.
Die ORF-Gesetzesnovelle 2023 brachte die erwähnte Textbegrenzung, doch Kritiker sprachen immer wieder von einer „Mogelpackung“: Durch die Auslagerung auf thematische Unterseiten könne der ORF faktisch weiterhin mehr als 350 Textbeiträge pro Woche veröffentlichen, sagte damals etwa VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger.
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