Neuanfang nach 2. Weltkrieg: Als die Zeitungen wiederbelebt wurden

Zeitungsdruck in 1070 Wien, Seidengasse 11
In der Zeit von 1938 bis 1945 verschwand Österreich von den Landkarten. Damit auch die freie Presse – die Nationalsozialisten diktierten Information und Meinung.

Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland im Jahr 1938 erlebte die Presselandschaft einen nie da gewesenen Kahlschlag. Im ersten Jahr der nationalsozialistischen Diktatur in Österreich fiel die Titelzahl an Zeitungen um 40 Prozent. Die Gesamtauflage österreichischer Tageszeitungen ging um ein Drittel zurück. Journalisten wurden entlassen, eingeschüchtert, in die Flucht oder den Tod getrieben.

Die Wiedergeburt

Nach neun Jahren Nazi-Herrschaft und sechs Jahren Krieg erlebte Österreich im Frühjahr 1945 eine Wiedergeburt. Offiziell endete der Krieg in Europa und in Österreich mit dem 8. Mai, dem Tag der vollständigen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Vielfältig und konträr waren die Ereignisse in Österreich in den Tagen vor diesem offiziellen Ende des Zweiten Weltkrieges. In Wien wurde am 27. April 1945 bereits die Unabhängigkeitserklärung Österreichs verkündet – diese führte zur Wiederherstellung der Republik Österreich.

Währenddessen wurde im Konzentrationslager Mauthausen durch Nazi-Schergen noch gemordet. Die Lagerinsassen wurden erst am 5. Mai befreit.

Die Macht der Presse

Heeresgruppen der Alliierten Armeen (Frankreich, Großbritannien, USA und Sowjetunion) setzten aber schon davor auf die Macht der Information, und gründeten Zeitungen in den jeweiligen besetzten Regionen.

Die Rote Armee (Sowjetunion) rief die erste deutschsprachige Zeitung der österreichischen Nachkriegszeit ins Leben. Das Blatt wurde als FrontzeitungÖsterreichische Zeitung ab dem 15. April 1945 von der 3. Ukrainischen (!) Front der Roten Armee für die „Bevölkerung Österreichs“ herausgegeben. Geschätzte Auflage: 30.000-50.000 Exemplare. Anfangspreis 10, später 20 Groschen. 

Chefredakteur und Ressortleiter kamen aus den Reihen der Roten Armee. Ab dem 23. August 1945 fungierte die Zeitung als offizielles Organ der sowjetischen Besatzungsmacht in Österreich und wurde per 31. Juli 1955 (Jahr der Unterzeichnung des Staatsvertrages) eingestellt.

Berühmte Herausgeber

Am 15. April fand noch vor dem Kriegsende bereits eine Zeitungsgründung in Wien statt. Neues Österreich erschien täglich – außer Montag – und hatte zwei durchaus prominente Herausgeber: Leopold Figl und Schauspieler Paul Hörbiger.

Die Chefredaktion war politisch besetzt mit Chefredakteur Ernst Fischer (KPÖ), Paul Deutsch (SPÖ) und Leopold Husinsky (ÖVP). Lange wurde das Blatt erfolgreich betrieben, erzielte eine Auflagenhöhe von 200.000 Exemplaren, erlebte aber sein Ende am 28. Jänner 1967.

Zeitungen im Westen

Einige dieser Heeresgruppenzeitungen bilden die Anfänge noch heute in Österreich existierender Tageszeitungen. War zu Beginn der Hauptzweck, die Bevölkerung über politische und militärische Vorkommnisse zu informieren, wandelten sich nach Kriegsende die Schwerpunkte dahingehend, Befehle der Besatzungsmacht bekannt zu geben, das wirtschaftliche Leben anzukurbeln und zur „politischen Umerziehung“.

Am 30. Mai 1945 gründete die US-Armee in Salzburg den Österreichischen Kurier, der nach bereits drei Nummern am 7. Juni 1945 durch die Salzburger Nachrichten sowie am 11. Juni 1945 durch die Oberösterreichischen Nachrichten ersetzt wurde.

Bereits am 16. Mai gründeten die Briten in Kärnten die Kärntner Nachrichten. In der Steiermark – erst durch die Rote Armee besetzt, dann von den Briten übernommen, übernahm die 8. Britische Armee die von Österreichern gegründete Neue Steirische Zeitung und wandelte diese in eine Heeresgruppenzeitung um. Beide Heeresgruppenzeitungen wurden aber bereits mit Jahresende 1945 wieder eingestellt.

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Der Kurier - Eine Zeitung wird 70

Wiener Kurier, eine Zeitung der US-Besatzungsmacht
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Die vier Allierten-Besatzungsmächste: USA, GB, Frankreich und Sowjetunion
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Ludwig Polsterer - Gründer des KURIER 1954, hands Dichand als Chefredakteur und Hugo Portisch
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Hans Dichand als KURIER-Chefredakteur
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Hugo Portisch, großer Initiator der KURER-Hilfsaktionen

Die Weltpresse

Unter britischer Oberhoheit erschien bis 1950 zudem die Weltpresse in Wien und teilweise in Graz. Nach 1950 übergaben die Briten den Titel an den Verlag der Welt am Montag. Politisch stand diese Zeitung der Sozialdemokratie nahe und wurde im Vorwärtsverlag gedruckt. 1957 ging das Blatt an eine ÖGB-nahe Gruppe und wurde in der Druckerei von Fritz Molden gedruckt. Als Nachfolgeblatt der Weltpresse und des Bild-Telegraf erschien ab 1958 der Express. In der Weltpresse waren (später populäre) Journalisten wie Ernst Hagen (ORF-Sendung Seniorenclub) oder Richard Nimmerrichter („Staberl“ in der Kronen Zeitung).

Die Franzosen übernahmen die Tiroler-Besatzungszone am 9. Juli 1945 von den Briten und damit auch die Tiroler Tageszeitung und gaben diese ab 8. Februar 1946 in österreichische Hände.

KURIER-Gründungsgeschichte

Seit dem 27. August 1945 (siehe oben) erschien in Wien unter Verantwortung der amerikanischen Besatzungsmacht der Wiener Kurier. Die Redaktion wurde durch einen US-Presseoffizier geleitet. Die durchschnittliche Auflage betrug im Jahr 1946 rund 300.000 Exemplare.

Papier war nach Kriegsende Mangelware, in den späten 40er-Jahren verfünffachte sich der Preis für Rotationspapier. Als der Wiener Kurier wegen Papiermangels am 26. September 1946 nicht erscheinen konnte, gab es im Bundeskanzleramt Hunderte Telefonanrufe besorgter Leserinnen und Leser. Die Auflage fiel, die Papierpreise stiegen, 1950 verzeichnete die Zeitung nur mehr eine Auflage von 130.000 Stück. Der Bild-Telegraf war starker Mitbewerber am umkämpften Lesermarkt.

Die Amerikaner trafen erste Vorbereitungen, die Zeitung einzustellen, die Druckauflage fiel und fiel und stagnierte bei 60.000 täglichen Exemplaren.

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Ludwig Polsterer an der Rotationsmaschine

Die Stunde von Ludwig Polsterer

Ludwig Polsterer, Mühlenindustrieller und Betreiber der Filmfirma Cosmopol nahm auf Vermittlung von Ernst Haeusserman (Direktor Theater in der Josefstadt) Gespräche mit den Amerikanern auf – die unter anderem auch mit Fritz Molden sprachen. Polsterer schaffte den „Deal“, hinterlegte drei Millionen Schilling an Kaution und am 18. Oktober erschien zum ersten Mal der KURIER mit Hans Dichand als Chefredakteur und Hugo Portisch.

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