Neuer Aufbruch unter neuer Führung im ORF. Wohin die Reise geht

Neuer Aufbruch unter neuer Führung im ORF. Wohin die Reise geht
Roland Weißmann ist mit dem heutigen Tag Generaldirektor – ein Job, der vor allem eines bietet: Begehrlichkeiten und Druck von allen Seiten

Die Last ist gebührend: Mit dem heutigen Tag trägt Roland Weißmann die Gesamtverantwortung für Österreichs größtes Medienunternehmen. Als Alleingeschäftsführer des ORF erstreckt sich das Reich des Generaldirektors vom Landesstudio Vorarlberg bis zum Jugendsender FM4. Von ORF2 bis ORF Sport+. Eine gewaltige Aufgabe, die viel Manövrierkunst erfordert, denn der Job des ORF-Chefs ist vor allem eines: Hochpolitisch. Die Landeshauptleute (die auch in der Tagespolitik erstarkt sind) pochen auf ihre Wünsche, die ÖVP-Regierungsmehrheit im obersten ORF-Gremium, dem Stiftungsrat, macht ihren Einfluss ebenfalls geltend und daneben gilt es in die Zukunft zu denken und die anderen Parteien ebenfalls mit einzubinden. So schnell wie heutzutage die Bundeskanzler wechseln, sind auch neue Farbkombinationen in der Regierung denkbar.

Direkte Konkurrenz

Und dann sind da noch die Verlage. Ein direkteres Konkurrenzverhältnis zwischen ehemaligen Zeitungsherausgebern und der ehemaligen Rundfunkanstalt gab es noch nie: Der ORF macht Onlinejournalismus, die Zeitungen drehen Videos. Dass der öffentlich-rechtliche Riese trotz Gebührenfinanzierung hier mitspielt, sorgt zunehmend für Unmut. Weißmann will auch hier verbinden, das signalisiert er zumindest. Die Gegenseite formuliert harte Wünsche: So soll er die blaue Seite von ORF.at auf ein Minimalmaß reduzieren. Die Zukunft der Verlage liegt in digitalen Abos – wenn der Gebührenfunk die Inhalte herschenkt – wo sollen dann die Verlage ihr Geld verdienen?

Kommt die Novelle?

Entsprechend kritisch wird die angekündigte ORF-Digitalnovelle beäugt, die eigentlich schon längst unter Dach und Fach hätte sein sollen, nicht zuletzt wegen innenpolitischer Turbulenzen im alten Jahr jedoch unerledigt blieb. Medienpolitische Vorhaben zu verschieben, hat in Österreich unrühmliche Tradition. Für den ORF geht es um die Zeit nach der TVthek, die derzeit neben technischer Veraltung auch mit den Auflagen der Vergangenheit kämpft: Sendungen dürfen nur sieben Tage nach Erstausstrahlung im linearen Fernsehen abrufbar sein, eigene Bewegtbildinhalte nur für die eigene Mediathek verbietet der Gesetzgeber. Der ORF will jedoch den „ORF Player“ als neue Plattform etablieren, auf der unter anderem eigene Inhalte gezeigt werden dürfen. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet – seit Sommer 2020 unter der Führung von Roland Weißmann. Das politische Lobbying für die gesetzlichen Erleichterungen liegt nun ebenfalls in seinem Verantwortungsbereich.

Kooperation wird nicht reichen

Im Gegenzug betont der ORF seinen Willen zur Kooperation mit heimischen Privaten, denn der wahre „Gegner“ seien doch internationale Plattformen. Ob dies als Argument reicht, darf bezweifelt werden. Verantwortlich zeichnet die neue Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), die sich noch keine Inhalte entlocken ließ.

Weißmann trat seit seiner Wahl im August betont im Hintergrund von Amtsvorgänger Alexander Wrabetz auf. Auch mit seinem offiziellen Amtsantritt war keine Medienoffensive geplant – Interviewanfragen ließ Weißmann verstreichen.

Quo vadis, ORF? Man wird es demnächst erfahren.

Neuer Aufbruch unter neuer Führung im ORF. Wohin die Reise geht

Die Führungskräfte Eva Schindlauer, Ingrid Thurnher, Roland Weißmann, Stefanie Groiss-Horowitz und Harald Kräuter

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