Netflix-Doku "Wenn jede Sekunde zählt": Dramatischer Einblick in die Notfallmedizin

von Georg Krierer
London. Ein Unfall. Ein Notruf. Und plötzlich zählt nichts mehr außer die Uhr - und die Hände im Kampf gegen die Zeit. Über 21 Tage hinweg begleiten die Filmemacher die Einsatzkräfte in der britischen Metropole: ein Verbund aus vier spezialisierten Traumazentren, einer hochmodernen Einsatzzentrale und unzähligen Sanitätern, Ärzten und Chirurgen. Im Zentrum steht nicht nur der medizinische Ernstfall, sondern auch der emotionale Ausnahmezustand, sowohl für die Betroffenen als auch für das Personal. Denn hinter jeder Entscheidung steht ein Mensch mit einer Geschichte.
Die Fälle, die in der neuen Netflix-Dokumentation "Wenn jede Sekunde zählt – Londons Trauma Netzwerk" erzählt werden, reichen von einem Jahrmarktunfall, bei dem mehrere Personen schwer verletzt werden, bis zu einer brutalen Gewalttat auf offener Straße. Besonders drastisch zeigt die Serie: Rund die Hälfte aller Notfälle in London haben mittlerweile mit Gewalt zu tun – und meist sind junge Männer sowohl Opfer als auch Täter. So wird etwa Jack vor einem Supermarkt mit einer Metallstange angegriffen. Die Kamera begleitet seinen Überlebenskampf im Krankenhaus. In einem anderen Fall werden Alison und ihr Partner aus einem Fahrgeschäft geschleudert – beide überleben schwerverletzt.

Viele helfende Hände
Das Herzstück des Systems ist die Einsatzzentrale. Hier entscheiden Sekunden, wohin ein schwerverletzter Mensch gebracht wird und ob es überhaupt Hoffnung gibt. Diese Einsatzzentrale ist Teil eines Netzwerks, das laut NHS (National Health Service) die Überlebensrate auf über 50 % gesteigert hat. Spezialisierte Notfallsanitäter koordinieren jeden Notruf, Rückmeldungen von Zeugen oder Social-Media-Einträge. Damit wird eine präzise Auswahl der passenden Klinik noch vor dem Krankenhausaufenthalt getroffen. Beeindruckend ist dabei der Teamgeist. Selbst die Nachbesprechungen der Fälle, oft mit psychologischer Unterstützung, zeigen, wie belastend dieser Beruf ist. Besonders dann, wenn Kinder betroffen sind.
„Die Patienten sind Väter, Mütter, Söhne – das ist zweifellos der schwierigste Aspekt dieses Jobs“, sagt ein Notarzt. Die Kamera bleibt nah am Menschen, ohne je aufdringlich zu wirken. Sie zeigt das große Ganze und bleibt doch beim Individuum. Mitfühlend, nüchtern und dramatisch zugleich liefert diese Doku ein starkes Plädoyer für Menschlichkeit im Ausnahmezustand und ein seltenes Porträt moderner Notfallmedizin.
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