Bad-Powells-Leadsängerin zum ESC: "Jetzt hätte ich mehr Schiss als vor 20 Jahren"
Sabine Stieger liebt die Bühne – doch das Metier ist hart.
KURIER: Sie treten mit der Band Bad Powells im Siebzigerjahre-Style auf. Das Jubiläumsfest zum 25. Geburtstag im Herbst wurde von Ihrer Agentur als „intergalaktisch“ angekündigt. War es das auch?
Sabine Stieger: Ja mindestens! Unsere Besucher wissen: Jeder Abend ist intergalaktisch, aber für Jubiläen überlegen wir uns immer etwas Besonderes, laden zum Beispiel Gäste ein.
Wie lange dauert es, um sich in „Foxy Pearlwhite“ zu verwandeln – Ihr Alter Ego in der Band?
Zweieinhalb Stunden: Pailletten von oben bis unten, Perücke, Bühnen-Maske und Verkabelung. Foxy lebt im Universum in einer anderen Galaxy und kann eigentlich nicht Deutsch (spricht mit stark englischem Akzent).
Sie sind selbst erst Anfang 40, wie kamen Sie zu den Siebzigerjahren?
Mein Vater spielte Tanzmusik aus seiner Jugend, also den Siebzigerjahren. Daher ist mir die Zeit vertraut. Außerdem war ich immer schon ein Retro-Girl, habe mir als Teenager alte Jazz-Platten und Janis Joplin angehört. In meiner Jugend in den Neunzigern herrschte totale Siebziger-Sehnsucht, das habe ich mir einfach behalten.
Es war ja auch eine spannende Zeit: Wirtschaftswunder, sexuelle Befreiung, Schlaghosen, Frauenemanzipation.
Ich mag diese Zeit und den Mut, den die Gesellschaft in allen Bereichen hatte. Grenzen wurden aufgebrochen, das Frauenbild änderte sich, man hat sich ausprobiert. Das ist mir sehr nahe, weil ich das Glück hatte, eine sehr starke Mutter zu haben, die meinte: „Bienchen, du kannst alles werden, du musst dir nur richtig viel Mühe geben.“
Das Wort „Boomer“ wird man von Ihnen also nicht hören?
Nein, ich beobachte alle Generationen, auch die jüngeren, und wundere mich manchmal, dass die viel konservativer sind als ich.
Sie standen mit Ihrer Musikerfamilie schon mit fünf Jahren auf der Bühne. Mit welcher Musik fing es an?
Ich habe mit meinem Papa und meiner 13 Monate älteren Schwester von Kinderliedern bis Volksliedern alles gesungen, auch manches in Phonetisch-Englisch-Kauderwelsch. Jetzt, wo mein eigenes Kind bald fünf ist, wird mir erst bewusst, wie früh ich auf der Bühne gestanden bin. Schon als Jugendliche dachte ich mir: „That’s it! Das ist mein Leben.“
Warum haben Sie dennoch eine Schneiderlehre absolviert?
Ich war immer ein Freigeist und ging nicht gerne in die Schule. Deshalb wollten meine Eltern, dass ich „was Gscheit’s lerne“, und es hat mich eh interessiert. Foxy Pearlwhite profitiert davon, weil ich all ihre Bühnenkostüme selbst genäht habe.
Sie verkleiden sich gerne?
Ja! Auch die Großeltern haben Theater gespielt. Auf der Bühne zu stehen, liegt in den Genen meiner Familie.
Ernten Sie denn niemals böse Reaktionen?
Nein. Vielleicht, weil ich zu wenig Angriffsfläche biete und mein Privatleben auf Social Media nicht preisgebe – was sicher auch ein Nachteil ist, weil man als Künstlerin nicht so sichtbar ist.
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2005 sind Sie beim Eurovision Song Contest in Kiew aufgetreten. Wie kam es dazu?
Ich bin mit 21 ganz frisch zur Band „Global Kryner“ gekommen, die es jetzt übrigens wieder gibt – aber ohne mich. Sie war damals gerade im Aufschwung. Es hieß: „Den Eurovision Contest nehm’ ma auch noch mit.“ Und: „Du musst da aber live singen!“ Ich antwortete: „Na sicher, ich bin ja eh Live-Sängerin.“ Jetzt hätte ich wahrscheinlich mehr Schiss als vor 20 Jahren. Wir sind dann mit wehenden Fahnen schon im Halbfinale gescheitert.
Wie ist Ihr jetziges Verhältnis zu diesem Format?
Ich finde es total spannend und werde oft darauf angesprochen. Du musst ein Alleinstellungsmerkmal und ein Gesamtkonzept haben, du musst dahinterstehen und es glaubwürdig durchziehen. Nicht immer ist die größte Stimme oder das beste Songwriting am wichtigsten. Es muss einfach stimmig sein. Und ich finde den Grundgedanken des Contest einfach großartig. Der Wettbewerb 2005 fand kurz nach der Orangenen Revolution statt. Was für eine spannende Zeit mit so viel Hoffnung! Der Eurovision Contest ist genau dafür gestanden, wofür er stehen sollte. Ich kriege Ganslhaut, wenn ich zurückdenke.
Sie machen sich über diesen Bewerb also nicht lustig?
Man kann über alles Witze machen, aber der Erfolg gibt dem Format recht. Ganz viele Leute schauen zu.
Gut, dass es wieder in Wien stattfinden wird?
Find’ ich super! Die Bad Powells machen übrigens vor dem Song Contest im Mai eine eigene Show im Metropol mit Contest-Songs: sehr retro!
Wie geht’s dem Entertainment-Business insgesamt?
Ich denke, dass es Großevents nach Corona leichter haben, während es das Klein- bis Mittelfeld wirklich schwer hat. Man muss sehr viel Risiko tragen, wenn man mit eigener Musik auftreten möchte, weil auch viele Gelder gestrichen worden sind.
Sabine Stieger ist Musikerin, Komponistin, Texterin, Fotografin und seit zehn Jahren Frontfrau der Siebzigerjahre-Retroband „Bad Powells“, wo die Oberösterreicherin als Foxy Pearlwhite auftritt. Sie hat 13 Alben veröffentlicht und trat 2005 beim Song Contest in Kiew auf. Die nächsten Wien-Konzerte der Bad Powells finden am 16 und 17. Januar im Wiener Metropol statt. Aktuelle Single: „samma d’accord“.
Musik verkaufen ist nicht lukrativ?
Wann hat sich jemand von uns noch ein Lied gekauft im Internet – oder eine CD? Musik wird nicht mehr gekauft, sondern nur noch konsumiert, und es ist kein Geheimnis, dass Künstler über Streamingplattformen nichts verdienen.
Hat Vinyl nicht ein gewisses Revival?
Ja, aber da geht es eher um Merchandising. So wie auch Häferln nach Konzerten verkauft werden. Live-Auftritte plus Merchandising: Damit verdient man Geld. Auch große Acts steigen unterm Strich oft nur mit null aus – vor allem Frauen. Die Schere zwischen Männern und Frauen ist in unserer Branche größer als anderswo.
Ist es mit österreichischer Musik noch immer schwer, in heimischen Radiosendern gespielt zu werden?
Es verändert sich, aber es ist noch immer schwierig. Ich singe auch Dialekt-Chansons, eine bewusst gewählte Nische. Aber Willi Resetarits meinte einmal zu mir: „Mach einfach Musik, die du dir selbst anhorchst.“ Deswegen bin ich nicht hip und zeitgeistig, aber ich bin ich.
Warum sind Sie von Hamburg nach Wien zurückgekommen?
Ich habe meine Sprache sehr vermisst, das Österreichische.
Sind Musiker untereinander Konkurrenten oder unterstützt man einander?
Vor 20 Jahren hat hier jeder sein eigenes Süppchen gebraut, in Hamburg gab es damals viel mehr Kooperation und weniger gegenseitiges Runtermachen. Das hat sich bei uns jetzt Gott sei Dank auch eingebürgert. Ich liebe Kollaborationen und singe oft und gerne im Duett.
Sie singen nicht nur, welche Instrumente spielen Sie?
Ich habe Saxofon, Gitarre, ein bisschen Klavier und Ukulele gelernt.
Wenn Sie drei Monate Politikerin wären, was würden Sie reformieren?
Ich bin Frau, ich bin selbstständig, ich bin Mutter und Künstlerin. Und ich fühle mich von niemandem in der Politik vertreten. Für Gleichstellung, Familie, Frauen, Bildung schlägt mein Herz.
Was macht eine gute Künstlerin aus?
Das Handwerk zu können. Und immer die beste Version von dir selbst zu sein. Ob man damit erfolgreich ist, hat mit dem Wert, ob das leiwand ist, nichts zu tun. Nur weil es nicht im Radio gespielt wird, muss man sich nicht schlecht fühlen.
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