Kickl über ÖVP: "Unterwegs zu extremistischer Gruppierung"

Herbert Kickl (FPÖ) und sein Gegenüber Karl Mahrer (ÖVP)
Wenn der Ex-Innenminister angekündigt hat, im Wahlkampf rechte Haken zu verteilen, dann hat er es bei "Im Zentrum" in großem Umfang getan.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

"Wer schützt den Staat?" Das war am Sonntag die Frage bei "Im Zentrum", das eine Woche vor dem 29. September klarerweise ganz im Zeichen des Wahlkampfs stand. Vier der fünf Diskutanten hätten wohl folgenden Sendungstitel vorgeschlagen: Wer schützt den Staat vor Herbert Kickl? Denn es stand viel Vergangenheitsbewältigung im Raum.

Besprochen wurden die BVT-Affäre und die Vorgänge rund das vor dem Regierungs-Crash freiheitlich geführte Innenministerium. Diese Themenlage ist natürlich aufgelegt, wenn Ex-Innenminister und FPÖ-Wahlkämpfer Kickl im ORF-Studio sitzt.

Die SPÖ schickte interessanterweise Josef Cap, der eigentlich schon im politischen Ausgedinge schien, aber nun – wie zum Beginn seiner politischen Karriere – einen Vorzugsstimmenwahlkampf führt. Der 67-Jährige zeigte sich, anders als in seiner langjährigen Karriere im Parlament, nicht von seiner wortgewaltigen Seite. Vielleicht war das in diesem Fall aus Sicht der SPÖ gar nicht so unklug, denn so gerieten hauptsächlich Kickl und sein ÖVP-Gegenüber Karl Mahrer aneinander.

Kickl über ÖVP: "Unterwegs zu extremistischer Gruppierung"

Alma Zadic, Josef Cap, Herbert Kickl, Claudia Reiterer, Karl Mahrer, Stephanie Krisper und Thomas Walach (v.l.n.r.)

Kickl für Türkis ein "Problemfall"

Der frühere Wiener Polizeipräsident und derzeitige türkise Sicherheitssprecher lobte zwar im Allgemeinen die Zusammenarbeit unter Türkis-Blau, bezeichnete Kickl aber als "Problemfall". Vor allem kritisierte er die Sprache Kickls: "Zu sagen, dass man jemand anderem seine Meinung mit Geraden oder rechten Haken aufzwingt, halte ich in einer Demokratie für unerträglich.“ Kickl trage der Sensibilität des Sicherheitsbereichs nicht Rechnung.

Kickl konterte mit den Vorwurf, dass die ÖVP das Innenministerium zu ihrer politischen Spielwiese gemacht habe, "wo sie ihre Freundesnetzwerke bedient" habe in Verbund mit dem Justizressort. Wenn Mahrer dann das Wort "Rechtsstaatlichkeit" in den Mund nehme, solle er "sich lieber genieren".

Kritik an Kickls Sprache

Auch Moderatorin Claudia Reiterer hatte die markigen Sprüche Kickls vom FPÖ-Parteitag thematisiert. Dieser sah aber überhaupt nicht ein, warum er sich die Boxersprache verkneifen sollte. "Was machen Sie mit jemand, der schlagfertig ist?", fragte Kickl. "Stufen Sie den dann als Gewalttäter ein?"

Cap übte sich ebenfalls in Sprachkritik: "Andere Saiten aufziehen" erinnere ihn an die Sprache in Erziehungsheimen, und wer rechte Haken verteilt, werde üblicherweise von der Polizei mitgenommen. Kickl: "Man kann sich auch blöd stellen, Herr Cap." 

Cap ließ sich davon nicht beirren und sagte, die FPÖ-Wahlplakate mit Kickl würden ihn nicht gerade an Positivbotschaften wie "Polizei, dein Freund und Helfer" oder "Fürchtet euch nicht" erinnern. Cap: "Wenn man sich Ihre Plakatfotos ansieht, ist die Botschaft: Fürchtet euch, ich komme wieder!“ Da schmunzelte sogar Kickl ein wenig.

Es waren schon die besten drei Minuten des Josef Cap an diesem Abend. Mahrer sagt etwas später zu Cap: "Sie sind derzeit nicht im Nationalrat." Cap: "Das tut mir ja so leid." Offenbar würde der Mann doch noch gern einiges sagen.

Die "schwarzen Netzwerke"

Stephanie Krisper, Fraktionsführerin der Neos im BVT-U-Ausschuss stimmte mit Kickl insofern überein, als sie sagte, dass "schwarze Netzwerke" im Innenministerium die Sicherheit gefährden würden. Nicht die Kompetentesten würden im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sitzen, sondern parteipolitisch Zuordenbare, sagte sie. Der ÖVP warf sie zudem noch vor, die Personalie Kickl erst jetzt zu kritisieren, während man ihm vorher, trotz - laut Krisper - "rassistischer, fremdenfeindlicher und menschenverachtender" Politik stets die Stange gehalten habe. Kickl sei von Sebastian Kurz lediglich aus Machtkalkül fallen gelassen worden, resümierte Krisper.

Thomas Walach vermisste zwar Inhalte, schenkte aber trotzdem lieber Kickl noch einmal ein. Dieser sei "aus den falschen Gründen nicht mehr im Amt". Denn er hätte "gar nie im Amt sein dürfen", sagte Walach.

Kickl hatte offenbar kein Problem, an diesem Abend die Opferrolle zu übernehmen. "Frau Reiterer, ich glaube wir werden da was mit der Redezeit machen müssen“, sagte er, weil er sich mit den Angriffen aller fünf Mitdiskutanten auseinandersetzen müsse.

IM ZENTRUM: Wer schützt den Staat?

Zadic: FPÖ ist das Problem

Alma Zadic saß gemeinsam mit Peter Pilz für die Liste Jetzt im BVT-U-Ausschuss und tritt jetzt für die Grünen an. Sie wollte ihre Kritik nicht an Kickl aufhängen, sondern an der FPÖ. Allein schon deren Regierungsbeteiligung habe durch die Kontakte zu Russland bei ausländischen Partner-Geheimdiensten für Nasenrümpfen gesorgt.

Kickl, nun wieder am Wort, sah bei den laut seiner Einteilung linksgerichteten Parteien eine "ideologische Verblendung", die dazu geführt habe, dass man im U-Ausschuss die "schwarzen Netzwerke" aus den Augen verloren habe, und am Ende eine Schwächung der "lästigen WKStA" bewirkt habe, so Kickl. "Eine echte Meisterleistung!" sagte er höhnisch.

Krisper entgegnete, dass der U-Ausschuss mit seinen Nachforschungen noch nicht am Ende gewesen sei.

Kickl verteidigt Teufel und bezeichnet BVT als "Saustall"

Seinen ehemaligen Kabinettschef Reinhard Teufel verteidigte Kickl vehement gegen die jüngsten Vorwürfe, dieser habe "Intensive" Kontakt mit Identitären-Chef Martin Sellner unterhalten. Dies sei "Rufmord gegen eine untadelige Person". Während er selbst von "dreckigen Methoden des Anpatzens" sprach, richtete er aber wierderum an die ÖVP drastische Worte. Unter der 17-jährigen Führung durch schwarze Innenminister sei das BVT zu einem "Saustall" verkommen. Dort würden Leute sitzen, "die parteipolitische Interessen bedienen, aber nicht die Verfassung geschützt und uns vor Terroristen verteidigt haben".

Mahrer vereidigt die Beamtenschaft

Mahrer wollte das nicht so stehen lassen. "Sie beleidigen gerade die Beamten in Österreich", sagte der ehemalige Spitzen-Polizist. Diese hätten alle ihren Eid auf die Verfassung geschworen, um "loyal ihrem Minister zu dienen, egal welcher Partei er angehört."

"Ein Träumer …" fügte Kickl spöttisch hinzu.

An einer Stelle sagte der Jetzt-Vertreter Walach: "Das soll hier kein Herbert-Kickl-Solo werden, Frau Reiterer." Man hatte stellenweise tatsächlich den Eindruck, dass sich hier alles nur um eine Person drehte. Und diese eine Person schien kein großes Problem damit zu haben und drehte die Argumente nach Belieben gegen seine Gegner. Wogegen es erstaunlich wenig Gegenwehr gab.

Vergleich mit "extremistischer Gruppierung"

Beim Thema Politischer Islam sagte Krisper: "Österreich wurde unter der türkis-blauen Regierung unsicherer. Es wurde Showpolitik ohne Substanz betrieben.“ Sie bezog sich dabei unter anderem auf jene groß angekündigten Moscheenschließungen, die bald darauf wieder aufgehoben werden mussten.

Als es schließlich um ein Verbot der als rechtsextrem eingestuften Identitären ging, dass die ÖVP ja anstrebt, wurde Kickl erneut untergriffigDie geplante Änderung im Vereinsrecht, der die meisten Parteien skeptisch gegenüberstehen, betrachtet Kickl als Eingriff in die Grundrechte. "Sie sind ja selbst unterwegs, eine extremistische Gruppierung zu werden mit Ihrer ÖVP", sagte er. Mahrer wollte hier nun "eine Grenze ziehen", was die "moralische Argumentation" betrifft.

Statt Mahrer rückte Krisper gewissermaßen die Verhältnisse zurecht. "Das wichtigste wäre, die FPÖ nicht wieder in die Regierung zu lassen, um das Denken der Identitären nicht in die Breite zu bringen." Den ÖVP-Vorschlag zu den Identitären betrachte sie dennoch als "scheinheilige Aktion".

Walachs trockener Kommentar: "Ich sehe, wie wohltuend uns die derzeitige Übergangsregierung wirklich erscheint."

Ob die türkis-blaue Beziehung wirklich so zerrüttet ist, oder ob die gegenseitigen Angriffe nur dem Fischen in einem ähnlichen Wählerteich geschuldet sind, wird man ziemlich sicher erst nach dem 29. September endgültig beurteilen können.

Kommentare