Karl Markovics' neuer Landkrimi: "Ängste ohne Bilder sind das Schlimmste"

Jonas Horak ist eine der verschrobensten Ermittlerfiguren in der heimischen Krimilandschaft. Am Ende seines ersten Falls, dem Vorarlberger Landkrimi „Das letzte Problem “ vom Jänner 2020, wurde Horak verhaftet. Davor hatte er in dem eingeschneiten Berghotel intensiv mit einem Assistenten namens Freitag (Stefan Pohl) kommuniziert, der nur eine Einbildung war, wie sich herausgestellt hat. „Relativ schnell nach den Dreharbeiten hat eine verrückte Stimme in meinem Kopf gesagt: Es wäre doch lustig, eine Fortsetzung zu machen“, sagt Karl Markovics (60). Weil man sich gerade bei diesem Ende gefragt habe: „Wie soll das weitergehen?“
Nach einem Anruf bei Daniel Kehlmann, der das Drehbuch geschrieben hatte, war man sich einig: „Der Horak ist so eine schöne Figur. Da geht noch was.“ Da der Bestseller-Autor aber mit der Arbeit an einem Roman eingespannt war, kam man überein, dass Markovics diesmal das Drehbuch alleine verfasst. Vonseiten Kehlmanns habe es keinerlei Vorgaben gegeben, nur die Ansage: „Ich vertrau’ dir, du kennst die Figur.“
Die Idee, die Story von „Das Schweigen der Esel“ (9. Jänner, 20.15, ORF1) anhand des Märchens „Die Bremer Stadtmusikanten“ zu erzählen, sei relativ schnell gekommen. „Alles hat bei Horak mit Märchen zu tun“ sagt Markovics. „Er nimmt die Märchen ernst und das Leben wird bei ihm zum Märchen. Diese Umkehrung, dieses Ver-Rückte, hat mich daran interessiert. Der Kriminalfall ist für mich eher ein Vehikel dafür.“
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Nicht ganz Hannibal Lecter, aber es gibt Parallelen: Markovics als inhaftierter Sonderling Jonas Horak
Märchen als Ursuppe
Schon seit Langem habe er einmal mit einem Märchen als Handlungsgerüst arbeiten wollen, erzählt Markovics, der auch Regie führte. „Märchen sind für mich die Ursuppe des Erzählens überhaupt. Das ist das Erste, mit dem ich als Kind in Bilderbüchern vertraut gemacht wurde. Dieses Surreale, Halbmystische ist der Ausgangspunkt von Fantasie.“ Er schlägt eine Brücke zur nicht enden wollenden Faszination von Krimis. Der Kitzel sei: „Wie gehe ich mit Angst um? Und Angst ohne Bilder ist das Schlimmste, was es gibt. Deswegen sind Märchen überhaupt entstanden, eigentlich für Erwachsene, um in langen, dunklen Winternächten mit Ängsten, die kein Bild hatten, irgendwie umzugehen.“
Eine Szene in „Schweigen der Esel“ spielt sich in Dunkelheit ab. Das, aber auch der Titel nimmt Anleihen am Hollywood-Thriller „Das Schweigen der Lämmer“. Auch hier tut sich eine junge Ermittlerin (erneut als Dorfpolizistin Sophie Landner: Julia Koch) mit einem inhaftierten Geisteskranken zusammen, um einen Fall, der sich außerhalb der Gefängsnismauern abspielt, lösen zu können. „Sie lebt in einer absolut männlich dominierten Welt und wird, als junge Frau, überhaupt nicht ernstgenommen. Darum fiebern wir mit ihr mit“, sagt Markovics. Über diese Konstellation hinaus habe er aber nicht versucht, „krampfhaft Parallelen zu Jodie Foster zu finden“, sagt er.

Horak inkognito: Dahinter Julia Koch als Vorarlberger Dorfpolizistin Landner
Schockeffekt
Auf einem Bauernhof macht Landner einen grausigen Fund in einem Kochtopf. Wie er zu derartigen Schockeffekten stehe? Markovics: „Ich stelle mir immer die Frage: Brauche ich das wirklich für die Geschichte, oder ist es nur ein Effekt? Hier ist das deswegen essenziell, weil die Geschichte eine fast surreale Atmosphäre hat – da ist es notwendig, dass draußen etwas Handfestes passiert.“ Klar ist für Markovics, dass er bereits einen dritten Teil ihm Kopf hat. „Ich fände es schön, wenn man den Horak mit einer Trilogie in seine Fantasiewelt entlässt.“
Dann sei es aber genug, wie eine Art Monk ein Seriendasein zu führen, „das wäre mir fast zu schade für diese Figur“.
Derzeit schreibt er aber an zwei neuen Großprojekten. Einerseits die Science-Fiction-Satire „Die Raumpfleger“ über Weltraummüllentsorger in prekären Arbeitsverhältnissen. Auch hier sei die Superfilm an Bord, es brauche aber weitere Finanzierungspartner. Das nahe liegendere Projekt ist die sechsteilige Verfilmung von Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“. Ende des Jahres könnte Drehbeginn sein.
Bei all den Extremen, die er in seinen filmischen Projekten behandelt, wie geht es da privat zu? „Mein Extremsport ist mein Beruf“, sagt er. „Es kann also im besten Sinn gemeint gar nicht bieder genug sein. Ich mähe rasen, ich gieße Blumen, sauge Staub.“
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