Dieses rund 100 Minuten dauernde Porträt beginnt am 13. Jänner 1968. Man sieht in Schwarz-Weiß-Aufnahmen, wie June Carter ihren sichtlich angespannten Freund Johnny Cash ins Folsom State Prison begleitet, wo er etwas später im Speisesaal vor rund 2.000 Häftlingen ein Konzert spielen wird. Dieser Auftritt gilt als Sternstunde und beflügelte die Karriere von Cash. Das dazugehörige Album wurde ein Megaerfolg – es hat sich bis heute mehr als sechs Millionen Mal verkauft. Viele kennen zwar diesen Konzertmitschnitt, aber kaum jemand weiß, dass June mit der Carter Family als Vorprogramm auf der Bühne stand. Dabei glänzte die Sängerin aber nicht nur als Support für Johnny Cash, sondern machte auf der Bühne Witze und lockerte damit die Stimmung auf. Cash-Bassist Marshall Grant sagte über diesen Auftritt von June einst: „Sie war kurz davor, Johnny die Show zu stehlen.“
Symbiose
Obwohl sie früh zu den großen Namen der amerikanischen Countryszene zählte, blieb sie bei den gemeinsamen Auftritten meist einen Schritt hinter ihrem Mann zurück. Zusammen waren sie eines der unzertrennlichen Paare der amerikanischen Musikszene. Sie waren in Summe 35 Jahren verheiratet und standen 40 Jahre zusammen auf der Bühne.
Zwischen den beiden gab es eine künstlerische wie private Symbiose, die entscheidend zum dauerhaften Erfolg von Cash beigetragen hat: Ohne die starke, selbstbewusste und kreative Frau an seiner Seite hätte er seine anhaltenden Drogenprobleme, seine schweren Krankheiten und Karrieretiefs wohl kaum überstanden: „Ich danke Gott für Menschen wie June, die immer noch dachten, ich hätte ein bisschen Gutes in mir“, brachte es Cash einst auf den Punkt.
„Ring of Fire“
Die Doku beleuchtet aber nicht nur diese aufopferungsvolle Seite von June Carter, sondern das ganze Leben und Schaffen der 1929 in Maces Springs, Virginia, geborenen Musikerin. Man sieht sie bei den zahlreichen Auftritten mit der Carter Family und als eigenständige Songwriterin – für ihren Mann schrieb sie u. a. einen seiner größten Hits: „Ring of Fire“.
Selbst nahm June (nach „Appalachian Pride“, 1975) erst spät (im Alter von 70 Jahren ) ihr zweites Soloalbum auf: „Press On“ wurde 1999 dank des Engagements der Musikmanagerin Vicky Hamilton veröffentlicht, nachdem große Labels an der Platte kein Interesse hatten. Ein Fehler, denn das Werk gewann einen Grammy. Nur drei Jahre später starb June Carter in Nashville. Ihr Mann folgte ihr ein paar Monate später.
„June“ ist ein umfassendes und kurzweiliges Porträt, das mit raren wie privaten Archivaufnahmen glänzt. Zu Wort kommen u. a. die Country-Größen Dolly Parton und Willie Nelson sowie Schauspielerin Reese Witherspoon, die für ihre Rolle als June im Cash-Biopic „Walk the Line“ einen Oscar bekam.
Abrufbar auf Paramount+
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