ORF-Satiriker Peter Klien: "Strache hat erstaunlich viel Selbstironie"

ORF-Satiriker Peter Klien ist in der Kategorie TV-Journalismus für die KURIER-ROMY nominiert.
KURIER: Ein Gradmesser für den Zustand einer Demokratie ist es, so heißt es, wie ungestraft man über die Mächtigen lachen darf. In diesem Sinne: Wie geht es der österreichischen Demokratie?
Peter Klien: Ich denke, die österreichische Demokratie ist im Augenblick gesund. Wir dürfen über die Regierung lachen – es gibt für die Satire keinerlei Zensur. Problem für den Satiriker ist eher, dass die Politik starke Tendenzen hat, seinem Berufsstand Konkurrenz zu machen (lacht). Und trotzdem muss man sagen: Wer weiß, wie lange alles so bleibt, wie es ist. Die Freiheit der Satire ist immer auch gefährdet. Und muss bei Angriffen mit Vehemenz verteidigt werden!
Sie wären in diesem Gleichnis das Fieberthermometer. Eine schöne Rolle?
Wie heißt es so schön unter Fieberthermometern? „Wer die Hitze nicht verträgt, sollte sich von der Achsel fernhalten.“
Man schaut diesbezüglich mit einigem Horror auf die USA, wo politische Satiriker, die dem Präsidenten nicht genehm sind, vom Schirm verschwinden. Um diese Demokratie muss man sich schon sorgen, oder?
Auf jeden Fall. Und auch wenn Jimmy Kimmel jetzt wieder zurückgekommen ist: Wer hätte gedacht, dass der Inbegriff moderner westlicher Demokratie derart rasch ins Wanken geraten kann? Daher hege ich schon die Befürchtung, dass das erst der Auftakt gewesen ist. Trump wird vor nichts zurückschrecken. Er, der im Anschluss an die Wahl 2020 das Kapitol hat stürmen lassen, hat bis heute seine damalige Wahlniederlage nicht eingestanden. Und führt mit Feuereifer seinen Rachefeldzug gegen all jene Menschen, von denen er sich ungerecht behandelt fühlt. Denn wie hat Trump, konfrontiert mit der Möglichkeit zur Vergebung, betont? „Ich hasse meine Gegner.“
Es ist erstaunlich, wie schnell dort vieles passiert, was man vor kurzem noch für undenkbar gehalten hätte. Warum ist das so?
Es stimmt zwar einerseits, dass Trump erratisch agiert und dass man bei ihm nie weiß, was als nächstes kommt. Aber andererseits hat er sich auf seine zweite Amtszeit doch akribisch vorbereitet und arbeitet jetzt alles ab: den Umbau des Staates, die Ausschaltung seiner politischen Gegner und die Rache an seinen Feinden. Was ihm dabei leider hilft, ist die Schwäche der demokratischen Partei.
Umgekehrt könnte man sagen: Daran merkt man auch, wie wichtig die politsatirische Arbeit ist. Indem sie die Mächtigen zum Spott freigibt, hält sie deren Macht in Zaum. So ist sie ganz offensichtlich ein Teil der vierten Gewalt, des Journalismus. Gibt es dafür in Österreich genügend Bewusstsein?
Nachdem es hierzulande eine lange und reichhaltige Tradition des – auch politischen – Kabaretts ebenso wie der politischen Karikatur gibt, darf man schon festhalten, dass die Bevölkerung den Wert der Satire hochhält. Anders gesagt: Dem Publikum gefällt“s. Weshalb das Publikum auch möchte, dass Satire bleibt. Dass aber die vierte Gewalt insgesamt – und damit verbunden die Pressefreiheit – für unsere Demokratie von zentraler Bedeutung ist, daran kann man die Bevölkerung nicht oft genug erinnern!
Und im ORF?
Ich glaube, der ORF versteht durchaus, dass Politsatire einerseits beim Publikum beliebt ist und andererseits zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört.
Es wird ja viel über den Einfluss der Politik auf den Küniglberg geredet. Wird bei Ihnen oder gegen Sie interveniert?
Davon gehe ich aus (lacht). Eine Satire, die in ihrer Direktheit nicht auch Protest hervorruft, hat ihren Namen nicht verdient. Und doch weiß ich nur von sehr vereinzelten Episoden. Umgekehrt bin ich freilich davon überzeugt, dass ich manches gar nicht mitbekomme. Weil eine Unternehmensführung, die sich zur Satire bekennt, eben dafür sorgt, dass wir wirklich frei arbeiten können. Wie auch eine Politik, die ganz grundsätzlich Satire akzeptiert. Aber das ist eine Momentaufnahme.
Sie dürfen derzeit nicht im österreichischen Parlament drehen. Was haben Sie denn angestellt?
Das ist es ja: Ich hab im Parlament noch gar nichts angestellt (lacht). Ich würde dort aber auch gar nichts anstellen wollen - außer ein wenig unverfänglich mit unseren Volksvertretern plaudern. Und darum hoffe ich auch, dass ich dort eines Tages wieder drehen darf!
Man könnte sich vorstellen, dass es auch persönlich nicht immer einfach ist, mächtigen Menschen so keck entgegenzutreten. Begleitet einen diese Rolle ins Private?
Ich denke, es ist eher umgekehrt. Wer dem inneren Anarchisten von Zeit zu Zeit Ausgang gewährt, wird im Alltag vielleicht eher bereit sein, sich auch einmal weniger keck zu gebärden.
Man wird jedenfalls schnell zum Fokuspunkt mehr oder weniger giftiger Onlinedebatten. Wie beobachten Sie die Polarisierung dort?
Vor allem in Wahlkampfzeiten ist sie schrecklich. Da müssen dann auch die gedungenen Kampfposter aus Indien ihre deutschen Stehsätze in die Arena werfen. Ganz zu schweigen von den russischen Bots oder den Trollfabriken in Albanien. In den 90er-Jahren hat man uns versprochen, dass das Internet uns das Wissen der gesamten Menschheit ins Wohnzimmer bringen wird. Hat fast geklappt. Nur dass es nicht das Wissen der gesamten Menschheit geworden ist, sondern ihr Frust, ihr Hass und ihre Wut. Ich hab die Menschen trotzdem gern und lache auch über böse Kommentare.
Bei einer FPÖ-Veranstaltung wurden Sie in den Schwitzkasten genommen. Hat soetwas eigentlich ein Nachspiel? Gab es da Aussprachen oder Austausch?
Zunächst einmal hat nur die Polizei ermittelt - wegen Körperverletzung und Nötigung. Und die Freiheitlichen haben nicht aufgehört zu behaupten, die Schuld am Vorfall trüge ich selber. Aber intern haben sie dann doch den Bodyguard ausgetauscht - wie ich erst viel später erfahren habe. Über einen längeren Zeitraum habe ich alle Kommunikationskanäle, die sich angeboten haben, auch genutzt. Das hat aber erst ein Jahr nach dem Vorfall begonnen. Heute hat sich das Verhältnis wieder normalisiert, und ich bin durchaus froh darüber. Wirklich gefährlich wird es erst, wenn die Gräben in einer Gesellschaft unüberwindlich geworden sind - wie derzeit in den USA. Mein Besuch am FPÖ-Bundesparteitag letzten Samstag hat daher auch bewiesen, dass der Schwitzkasten Geschichte ist. Dort durfte ich, wie schon zuletzt, zwar nicht in den Saal hinein. Aber immerhin haben FPÖ-Mitglieder vor der Türe ohne Groll mit mir gesprochen - und der Beitrag ist durchaus lustig geworden.
Nicht alle heimischen Entscheidungsträger scheinen sich zu freuen, wenn Sie Ihnen Fragen stellen. Hat Sie jemand positiv überrascht - mit Schlagfertigkeit, Humorerduldung oder Ähnlichem?
Auf jeden Fall. Michael Häupl ist der König der treffsicheren Replik. Johanna Mikl-Leitner ist im persönlichen Umgang viel lockerer als sie in den Medien erscheint. Und Heinz-Christian Strache hat erstaunlich viel Selbstironie. Um nur ein paar Beispiele zu nennen…
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