„Ich habe heute leider kein Foto für dich“ – diesen Satz kennen junge Frauen im deutschsprachigen Raum seit fast 20 Jahren. Es ist das gefürchtete Urteil von Heidi Klum, die seit 2006 in „Germany’s Next Topmodel“ Laufstegtalente sucht. Während das amerikanische Original „America’s Next Topmodel“ mittlerweile eingestellt wurde, erfreut sich die deutsche Version nach wie vor großer Beliebtheit: Am Donnerstag (13. Februar, 20.15 Uhr) startet die Show bei ProSieben in die 20. Staffel. Bereits zum zweiten Mal nehmen dabei sowohl Frauen als auch Männer teil.
In fast zwei Jahrzehnten hat „GNTM“ zahlreiche Momente für die Reality-TV-Geschichtsbücher geliefert: vom eigenwilligen Jubelschrei „Zack, die Bohne“ von Kandidatin Gina-Lisa Lohfink über die „Die Handetasche muss lebendig sein“, ein Tipp von Bruce Darnell, bis zur Live-Hochzeit im Finale von Staffel 14 – mit Klum als Traurednerin. In der Show haben viele Karrieren ihren Anfang genommen. Eher selten führten sie wie versprochen auf die großen Catwalks – häufiger ins Fernsehen, zum Trash-TV oder direkt ins nächste Model-Format: Lene Gercke, erste „GNTM“-Gewinnerin, präsentierte vier Staffeln lang den (wieder abgesetzten) Österreich-Ableger „Austria’s Next Topmodel“ auf Puls4.
Auch einige Juroren kamen durch die Sendung zu größerer Berühmtheit – etwa der eben schon erwähnte Choreograf Bruce Darnell oder Laufsteg-Trainer Jorge González. Besonders im Mittelpunkt stehen aber Klum und ihre Familie: Ihr Ex Seal trat hier ebenso auf wie ihr jetziger Ehemann Tom Kaulitz und mittlerweile Tochter Leni. Jahrelang waren die Gewinnerinnen automatisch bei der Modelagentur von Klums Vater Günther engagiert.
Reptilien
Ausgewählt werden die Siegerin und der Sieger – heuer winken ein Cover auf der Zeitschrift Harper’s Bazaar, 100.000 Euro und eine Kampagne mit L'Oréal – nach erfolgreichem Durchlaufen zahlreicher „Challenges“: Dazu gehören tränenreiche Umstylings, Laufstege, die an Hindernisparcours erinnern und ausgefallene Fotoshootings – wahlweise nackt, mit Reptilien oder in schwindelerregenden Höhen. Inwiefern diese Aufgaben realen Situationen im Modelalltag entsprechen, bleibt fraglich. Auch, ob hier überhaupt wirklich ein Model gesucht wird. Im Fokus steht die Fernsehsendung. Wer brav mitmacht, kommt weiter. Das Motto: Du kannst alles schaffen, wenn du tust, was wir dir sagen – und einem gewissen Bild entsprichst.
Stetiger Begleiter des Formats ist auch die Kritik daran: Gerade die frühen Staffeln werden für Bodyshaming und einen problematischen Umgang mit Schönheitsidealen angeprangert (siehe rechts). Doch auch „GNTM“ ist mit der Zeit gegangen: Mittlerweile sind keine Minderjährigen mehr zugelassen und es dürfen nun auch kurvige, kleine und ältere Models teilnehmen. Aber es gibt noch andere Kritikpunkte.
Eingecremte Füße
In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr ehemalige Kandidatinnen an die Öffentlichkeit gewandt und von ihren Erfahrungen in der Show berichtet. In einer Doku des Rechercheformats „STRG_F“ erzählten mehrere Ex-Teilnehmerinnen, dass man ihnen während der Dreharbeiten die Handys abgenommen und kaum Privatsphäre zugestanden habe, um Druck aufzubauen. Das sollte zu fernsehtauglichen „Zickenkriegen“ führen. Den Models seien die Füße eingecremt worden, damit sie am Laufsteg stürzen. Redakteurinnen und Redakteure hätten ihnen zudem Worte in den Mund gelegt. ProSieben und Klum bestritten das. Man gebe den Models lediglich „inhaltliche Vorschläge“ für das, was sie vor der Kamera sagen. In der Sendung sei „alles echt“, erklärte die „Modelmama“, die, wie kürzlich bekannt wurde, nach elf Jahren bei „America's Got Talen“ als Jurorin ausgestiegen ist, in einem Statement.
Auch YouTuber Rezo widmete sich bereits „GNTM“, kritisierte vor allem die Sexualisierung der jungen Kandidatinnen an und fragte, warum ProSieben und Klum bei all den Vorwürfen nicht „schon längst gecancelt“ worden seien.
Doch dem Format scheint all das nicht zu schaden: Zwar gingen die Zuschauerzahlen aufgrund veränderter Sehgewohnheiten auch bei „GNTM“ zurück, dafür kann die Modelsuche bei Online-Aufrufen punkten. Im Vorjahr verzeichnete man mit 25 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen laut Sender den erfolgreichsten Staffelstart aller Zeiten. In Österreich erreichte die 19. Staffel rund 18 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Und ein Ende des Formats ist nicht in Sicht: Im Herbst kündigte ProSieben an, dass die Zusammenarbeit mit Klum um „mehrere Jahre“ verlängert wurde. In der aktuellen Staffel bekommt sie zudem erstmals zwei Sendetage pro Woche: Dienstags und donnerstags treten die Models nach Geschlechtern getrennt gegeneinander an, ehe sie Ende März aufeinandertreffen.
Schlechte PR
Eine mögliche Erklärung, warum die Kritik der Sendung nichts anzuhaben scheint, gab Ex-Juror Peyman Amin in einem Interview mit t-online: „GNTM funktioniert mittlerweile nach dem amerikanischen Prinzip: Schlechte PR ist auch PR. Je lauter die Kritik, desto mehr schalten ein. Die Zuschauer wollen wissen, was an der Kritik dran ist – die Kritiker schalten ein, um Stoff für neue Kritik zu haben.“ Am Ende zählten die Quoten – und damit die Werbeeinnahmen.
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